„Pass auf, dass du unserem Freund nicht auf die Füße trittst“ – Hans Schüller und Dr. Wolfgang Zäck bewegen sich vorsichtig um die (leeren) Ritterrüstungen herum, die sich im Verlies der Genovevaburg finden. Die beiden Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins sind auf Spurensuche in der Burgmauer unterwegs und bewegen sich heute in einer Ecke der Burg, die auch für sie noch neu ist. „Die Tür, die wir heute öffnen, haben wir selbst auch noch nie geöffnet. Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet“, so Schüller aufgeregt.
Dabei kennt er die Burg quasi wie seine Westentasche, da er in seinem früheren Beruf als Architekt und Stadtplaner bereits bei der Instandsetzung der Burg involviert war. Betreten hat er allerdings noch nicht jede Ecke. Es ist eine kleine Kriechtür, um die es heute geht. Recht unscheinbar befindet sie sich in dem oberen Burghof am Goloturm, in dem auch die Burgfestspiele Mayen stattfinden. Also eigentlich inmitten des Geschehens und doch wenig beachtet. „Wir gehen jetzt gleich durch diese Tür und durch einen schmalen Gang in den Turm hinein, der ungefähr drei bis vier Meter lang sein wird, also so lang, wie die Burgmauer dick ist. Und dann wird es sich hin zum Innenraum öffnen“, erläutert der Architekt. Der Innenraum ist der des sogenannten Goloturms. Die Mayener haben diesen Namen dem Bergfried der Genovevaburg gegeben.
Sowohl der Name der Burg als auch der des Turms gingen vom Volk aus. Dieses berief sich auf die Genoveva-Sage, die besagt, dass im 8. Jahrhundert auf der Burg der Pfalzgraf Siegfried und seine Gattin Genoveva lebten. Als Siegfried in den Krieg ziehen musste, übertrug er die Verantwortung für Burg und Gattin auf den jungen Ritter Golo, der Genoveva heimlich liebte. Als diese seine Liebe nicht erwiderte, bezichtigte er sie der Untreue mit einem anderen und verurteilte sie zum Tode. Sie wurde jedoch verschont und lebte im Wald versteckt, wo sie ihren neugeborenen Sohn großzog. Als ihr Mann Siegfried sie fand, ließ er Golo zur Strafe vierteilen.
Die Geschichte um Treue, Verrat und Tod wurde gern von späteren Burgbesitzern immer wieder zu Werbezwecken genutzt – was auch die leeren Ritterrüstungen im vermeintlichen Verlies erklärt. „Es war an sich üblich, dass Bergfriede auch ein Untergeschoss hatten, das man gemeinhin Verlies nannte. Aber inzwischen weiß man, dass das nicht automatisch Verliese im Sinne von Gefängnissen waren. Da steht die Forschung aktuell noch vor einem Problem“, erläutert Schüller.
Als die Burg im 19. Jahrhundert zur Brauerei wurde, diente der Turm als Getreidespeicher. Aus dieser Zeit stammt auch die Tür, die sich zum Stollen öffnet, der den Zugang zum Speicher möglich machte. Bereits damals wurde erzählt, dass sich im Verlies des Turmes die Ketten des bösen Golo befänden, der am Ende gevierteilt wurde. Doch viel spannender als die drapierten Ritterrüstungen sind die Erkenntnisse, die Schüller und Zäck nur aus den Wänden schließen: Aufgrund der verschiedenen Materialien, die heute noch zu erkennen sind, vermuten die beiden mehrere Zwischenböden in dem Turm, was sich aus gemauerten Absätzen erkennen lässt. Während Schüller noch mit Fotografieren beschäftigt ist, nimmt der promovierte Geologe Zäck bereits mit einer kleinen Schaufel eine Gesteinsprobe.
Sicher ist auf jeden Fall eines: Durch diese Tür sind die beiden nicht das letzte Mal gegangen.