RZ-Adventskalender Ein Blick in die oberen Etagen des Bergfrieds der Reichsburg Cochem
3. Türchen im RZ-Adventskalender: Ein Blick in die oberen Etagen des Bergfrieds der Reichsburg Cochem
Thomas Kölsch

Cochem. Der Blick aus den winzigen Turmfenstern ist imposant: Aus den Erkern des Bergfrieds der Reichsburg Cochem schweift der Blick über das Moseltal und die mittelalterliche Innenstadt, die rund 130 Meter tiefer liegt. Sehr viel höher kann man in dem alten Gemäuer nicht hinaufklettern; nur eine Leiter ragt noch in die Turmspitze hinein und gewährt Zugang zum Dach, doch dorthin möchte Jörg Wronka nun wirklich niemanden mehr lassen.

Thomas Kölsch

Der Hausmeister der Reichsburg klettert selbst nur selten bis ganz nach oben, eigentlich nur, wenn er die Brandmelder inspizieren oder die Fahne austauschen muss – und schon der Zugang zu der Ebene darunter ist für die Öffentlichkeit eigentlich tabu. Für die Rhein-Zeitung macht der 58-Jährige aber eine Ausnahme.

Der mächtige Bergfried mit seinem riesigen Christopherus-Mosaik ist das älteste Bauwerk der Anlage, aber nur bis zu einem gewissen Teil im Rahmen von Führungen zugänglich. „Das liegt nicht zuletzt an der Holztreppe, die nach oben führt“, erklärt Wronka. „Es gibt keinen anderen Fluchtweg, wenn also hier ein Brand ausbrechen würde, säße man in der Falle. Selbst Feuerwehrleute würden in so einer Situation hier nicht hochgehen.“

Falken wurden von Nilgänsen verscheucht

Dabei haben die oberen Etagen durchaus einiges zu erzählen. „1942 musste der damalige Burgherr Louis August Ravené das Anwesen an die Nazis verkaufen, die daraufhin hier eine Schulungsstätte für Juristen einrichteten“, erzählt Wronka. „Die haben zum Teil hier im Turm gewohnt.“ Heutzutage stehen die Zimmer leer oder werden als Speicher genutzt, unter anderem für den Blasebalg und einige Pfeifen der alten Orgel aus der Kapelle. Außer Wronka und seinen Mitarbeitern kommt so gut wie niemand hierher.

Eine Zeit lang haben in und um die Türme herum Falken genistet, aber auch die sind seltene Gäste geworden, seit Nilgänse die Nester konsequent attackieren. „Die Vögel wissen, dass andernfalls die Falken eine Gefahr für die Gänseküken wären“, sagt Wronka. „Eigentlich müssten wir etwas dagegen unternehmen, aber schießen können und dürfen wir die Tiere nicht. Insofern bräuchten wir einen Falkner, der die Gänse verscheucht, um die Falken zu schützen. Ein bisschen absurd ist das schon.“ Zumal auf dem Burggelände bis 2015 tatsächlich eine Falknerei ansässig war.

Weiter geht der Rundgang: In einem Raum zeigt Wronka auf einen massiven Stahlträger. „Die Burg wurde ja im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekriegs durch den Sonnenkönig Ludwig XIV Ende des 17. Jahrhunderts fast komplett zerstört und erst etwa 200 Jahre später von Louis Fréderic Jacques Ravené wieder aufgebaut“, erläutert er. „Diesen Teil des Turms, in dem wir uns jetzt befinden, hat er komplett neu bauen lassen, was man auch an dieser Konstruktion sieht. Immerhin war Ravené auch Eisen- und Stahlgroßhändler.“

Thomas Kölsch

Seit sechs Jahren ist Wronka, der eine Dienstwohnung über dem Souvenirladen hat, Hausmeister der Burg, er kennt inzwischen jeden Winkel. Fast jeden: „In einem Dachstuhl war ich noch nicht“, gesteht er, „aber da kommt man nur von außen mit viel Aufwand ran, das haben wir uns bislang gespart.“ Ansonsten aber sind ihm die Gänge bestens vertraut, und die Stufen, die vielen, vielen Stufen, die der gelernte Metallbauer täglich rauf- und runtersteigen muss. Manchmal häufiger als an anderen Tagen: „Alle zwei Jahre kommt jemand von der Feuerwehr, stellt sich unten in den Hof und wartet darauf, dass ich ihm alle Feuerlöscher aus der Burg zur Überprüfung bringe“, sagt Wronka. „Das sind mehr als 100, und die sind natürlich überall verteilt, auch hier im Bergfried. Danach bin ich platt.“

„In so einem Gemäuer gibt es immer etwas zu tun.“

, so Wronka.

Anstrengend sind auch die Tage rund um große Veranstaltungen wie den Viktorianischen Adventszauber, der in diesem Jahr das Publikum mit Szenen aus Charles Dickens' „A Christmas Carol“ verzaubern soll. „Und wenn nichts stattfindet, reparieren und sanieren mein Team und ich eben“, so Wronka. „In so einem Gemäuer gibt es immer etwas zu tun.“

Auch größere Projekte würden durchaus diskutiert. „Wir haben zum Beispiel schon mal überlegt, ob wir nicht im Turm eine Sprinkleranlage einbauen, was aus feuerschutztechnischen Gründen sicherlich sinnvoll wäre. Allerdings gibt es gerade bei solchen großen Eingriffen immer viel zu berücksichtigen, nicht zuletzt den Denkmalschutz.“ Immerhin seien in der Regel alle Beteiligten bemüht, eine Lösung zu finden, die der Burg gerecht wird. Vom Fundament bis zur Spitze des Bergfrieds.

Von Thomas Kölsch