Dort bietet sich derzeit ein faszinierender, ungewöhnlicher und auch eigentümlich erschreckender Anblick: Skelettierte Pferde stehen neben einem im Aufbau befindlichen Hulk, während ein übergroßer Kopf mit einem Schweißbrenner bearbeitet wird; an anderer Stelle fehlen sogar diese Formen.
In den vergangenen Wochen haben die Mitglieder des Vereins ihre insgesamt neun Anhänger bis auf die metallenen Knochen zurückgebaut, und bevor diese in der neuen Session wieder für Jubel und Gelächter sorgen können, wartet eine ganze Menge Arbeit auf die ehrenamtlichen Wagenbauer.
Details ändern, Grundprinzip lassen
Die meisten Prunk- und Motivwagen werden von Grund auf neu gebaut, mit Holzgerüsten und verschweißten Drahtgeflechten, die in mühevoller Kleinarbeit im Januar und im Februar errichtet werden. Allein die Pferde dürfen bleiben. „Die hat unser Team für die Session 2022 gebaut und hat so viel Energie und Leidenschaft hineingesteckt, dass es eine Schande wäre, die nach gerade mal einem halben Jahr wieder auseinanderzunehmen“, sagt KG-Präsident Michael Kley, selbst ein passionierter Wagenbauer. „Wir ändern natürlich viele Details, aber das Grundprinzip erhalten wir.“
Ein nachvollziehbarer Ansatz, stecken doch Hunderte Arbeitsstunden in einer solchen Konstruktion. „Wir treffen uns momentan eigentlich täglich von 18 bis 22 Uhr“, sagt Kley. „Mindestens ein Dutzend Leute ist dann zugange, schraubt und hämmert und schweißt und schmiedet. Während der Feiertage ist dann natürlich Leerlauf, aber im Januar und Februar arbeiten wir dafür mehr oder weniger durch.“
Und das mit großer Detailverliebtheit. „Wir haben vier überaus kreative Wagenbaugruppen, die nicht nur sich selbst immer wieder übertreffen möchten, sondern auch die Kollegen aus Heimbach. Diese freundschaftliche Konkurrenz sorgt dafür, dass die Ansprüche hoch sind und immer überlegt wird, wie man das Optimum herausholen kann.“
Das Material dafür ist auf jeden Fall vorhanden – rechts und links der zentralen Halle befinden sich ein Holz- und ein Farblager, das in der Regel nach Aschermittwoch aufgeräumt und neu bestückt wird. Kley steht mit einigen Vorstandskollegen auf der Galerie zwischen Säge- und anderen Arbeitsplätzen und blickt auf den Fuhrpark der KG Weis. Seit Jahren sind die Wagen, wenn sie denn fertig sind, der ganze Stolz des Vereins und weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt.
Umso mehr ärgert ihn ein Schreiben, das Anfang Dezember vom Verkehrsministerium eingegangen ist. „2018 hat man da eine Verordnung erlassen, nach der in Zukunft besondere Ansprüche an Karnevalswagen gestellt würden“, erzählt er.
„Demnach müssten wir all unsere Wagen austauschen – das sind alles landwirtschaftliche Hänger aus den 50er- und 60er-Jahren, die aber nur einmal im Jahr wirklich bewegt werden und daher eigentlich noch in hervorragendem Zustand sind. Das Ministerium sagte damals, es würde eine ,großzügige‘ Karenzzeit von vier Jahren gewähren.“
Neue Wagen wegen Corona nicht finanzierbar
„Und dann kam Corona, drei Sessionen ohne Einnahmen, sodass neue Wagen nicht finanzierbar waren. Trotzdem bestehe man nun darauf, dass die Verordnung rigoros durchgedrückt wird. Wenn das wirklich so kommen sollte, kann es sein, dass unsere Wagen nicht werden fahren dürfen.“ Trotzdem halte man am Bau der Wagen fest. „Wir wissen ja, wofür wir kämpfen“, sagt Kley.
„Diese Halle ist seit Jahrzehnten ein generationenübergreifender Treffpunkt für kreative Bastler und Tüftler, und alle arbeiten darauf hin, beim Rosenmontagszug mit den Wagen bissige Kritik an Lokal- und Bundespolitik zu nehmen sowie die Narren zum Lachen zu bringen. Das lassen wir uns so leicht nicht nehmen.“
Noch viele kreative Sitzungen
Derweil geht die Arbeit in der Halle unvermindert weiter. Selbst Prinz Michael II. (Scholl) ist mit dem Schweißbrenner zugange und ist unter anderem für das Narrenschiffchen seines Prinzenwagens zuständig. Wenn schließlich irgendwann die Drahtgerüste stehen, werden die Lücken mit verleimtem Papier geschlossen, große Flächen geschaffen und zum Schluss die Figuren mit Stanniolpapier umwickelt.
Dann werden auch die Pferde wieder „Fleisch“ auf den Rippen haben. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg mit vielen kreativen Sitzungen in der Wagenbauhalle. Und mit der Hoffnung, am Ende auch wirklich fahren zu dürfen.
Karneval und Kirmes
Die Karnevals- und Kirmesgesellschaft Weis existiert nach eigenen Angaben seit 1827 und wäre damit der viertälteste Karnevalsverein im Rheinland, auch wenn aufgrund eines Verbots von König Friedrich Wilhelm III. vermutlich zwischen 1830 und 1880 keine „Carnevalsverlustbarkeiten“ stattfinden konnten.
Große Wagen, darunter auch satirische Motivwagen, sind auf jeden Fall seit 1904 nachgewiesen – unter anderem wendeten sie sich in den ersten Jahren gegen die Eingemeindung und die Neuwieder Verkehrspolitik. Unter dem Motto „Oos kann käner“ widmet sich der Verein der fünften Jahreszeit, organisiert im Juli aber auch stets die St.-Margarethen-Kirmes in Heimbach-Weis.