RZ-Adventskalender Im Simulationszentrum der Bundeswehr in Koblenz wird die Rettungsdecke zum Multifunktionstool
2. Türchen im RZ-Adventskalender: Wie Soldaten für Fall eines Bombenattentats trainieren
Im vernebelten Simulationszentrum der Bundeswehr in Koblenz gilt es für die Soldaten, Verletzungen zu diagnostizieren und die Verletzten aus der Schusslinie zu bringen. Foto: Thomas Kölsch
Thomas Kölsch

In unserem RZ-Adventskalender nehmen wir das mit dem „Tür öffnen“ wörtlich: In 24 Geschichten öffnen wir Türen, die normalerweise verschlossen sind. Diesmal schauen wir hinter die Kulissen im Simulationszentrum der Bundeswehr in Koblenz, wo die Rettungsdecke zum Multifunktionstool wird.

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Das Nachtsichtgerät zieht den Kopf nach unten. Etwa ein Kilo wiegt der Restlichtverstärker, eigentlich nicht viel, doch schon nach wenigen Sekunden eine spürbare Einschränkung, ebenso wie die minimale, aber trotzdem nicht zu verachtende Diskrepanz zwischen der sichtbaren und der realen Position von Objekten.

Eine von außen unscheinbare Lagerhalle

Erst nach dieser Erfahrung wächst so langsam ein Verständnis dafür, unter welch widrigen Umständen die Rettungs- und Notfallsanitäter der Bundeswehr mitunter Verwundete versorgen müssen und warum sie regelmäßig ganz besondere Trainingseinheiten absolvieren müssen.

Genau zu diesem Zweck existiert das Ausbildungs- und Simulationszentrum des Sanitätsregiments 2 in Koblenz, eine von außen unscheinbare Lagerhalle, in der Soldaten immer wieder Einsatzszenarien durchexerzieren. Für die Rhein-Zeitung öffnet die Bundeswehr ausnahmsweise die Tür zu dieser Einrichtung und gewährt einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

Verschiedene Übungs-Szenarien

Zwei taktische Szenarien stehen an diesem Tag – neben anderen kleineren Übungen sowohl ziviler als auch militärischer Natur – auf dem Programm: ein Angriff auf einen Kontrollpunkt der Bundeswehr und ein Bombenattentat auf einen Marktplatz. Über Letzterem liegt dichter Nebel, die Sicht ist bescheiden. Dennoch gilt es, schnell die Verwundeten zu lokalisieren, sie – wenn nötig – zu stabilisieren und sie dann so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Erst dann kann eine weitere Versorgung erfolgen, natürlich unter Zeitdruck und mit begrenztem Material. „Diese Einschränkungen unterscheiden die Versorgung im Feld von der zivilen“, erklärt Oberstabsfeldwebel Karl Heinz Jakobs, einer der Ausbilder.

„Bei einem militärischen Einsatz können Sie nicht einfach loslaufen und Material aus einem Krankenwagen oder aus der nächsten Apotheke holen. Sie müssen mit dem arbeiten, was gerade da ist. Insofern gehört das Improvisieren zu den zentralen Fähigkeiten, die wir hier trainieren.“ Vor allem die Rettungsdecke gilt bei den Sanitätern der Bundeswehr als Multifunktionstool. „Sie können daraus eine notdürftige Beckenschlinge herstellen, Gliedmaßen abbinden, sie als Verband verwenden oder Brandwunden abdecken“, zählt der Leiter des Simulationszentrums Oberfeldarzt Kai Böttcher auf. „Man muss nur wissen, wie. In einer Gefechtssituation mit Verwundeten kann das über Tod oder Leben entscheiden.“

Soldaten sollen Retter unterstützen

24 Rettungs- und ebenso viele Notfallsanitäter sind an diesem Tag an den Übungen beteiligt. Zur Unterscheidung: Erstere haben in der Regel einen dreimonatigen Lehrgang absolviert, Letztere eine dreijährige Ausbildung. „Im Ernstfall sollen die Soldaten mit Rettungssanitätererfahrung die Notfallsanitäter unterstützen, doch dafür müssen sie natürlich die Abläufe kennen. Außerdem müssen sie in der Lage sein, gegebenenfalls zu übernehmen, falls der Notfallsanitäter ausfällt. Insofern bringen wir ihnen lieber zu viel als zu wenig bei.“

Böttcher weiß genau, wovon er spricht: Er war schon in zahlreichen Krisenregionen im Einsatz, in Mali, in Afghanistan, im Kosovo, sowohl mit Bodentruppen auf Patrouille als auch mit Rettungshubschraubern. „Fast alle bei dieser Trainingseinheit haben schon Einsatzerfahrung“, sagt er, „aber hier in Deutschland haben die wenigsten von ihnen ständig mit Verwundeten zu tun. Zuletzt haben viele Kameraden zum Beispiel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie geholfen. Umso wichtiger ist es, dass sie sich in diesen Simulationen wieder an die Abläufe erinnern, die sie bei Auslandseinsätzen automatisch abrufen können müssen. Einmal pro Jahr ist eine derartige Übung daher verpflichtend.“

Während einige der Soldaten wieder einmal durch den vernebelten Marktplatz hasten, Verletzungen diagnostizieren und die Verletzten aus der Schusslinie bringen, planen Böttcher und Jakobs schon die nächste Stufe der Simulation. „Bei der nächsten Gelegenheit werden wir diesen Raum komplett verdunkeln“, erzählt Jakobs. „Dann können wir diese Übung mit Nachtsichtgeräten durchführen, was noch einmal ein bisschen anspruchsvoller und anstrengender wird.“ Nicht zuletzt wegen des eingeschränkten Sichtfelds der Geräte. „Ja genau. Darauf freue ich mich schon. Gleichzeitig dürfen wir aber nie vergessen, wie gefährlich solche Situationen während eines realen Einsatzes sind. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Sanitäter darauf vorbereiten, auch unter solch schwierigen Bedingungen ihren Job zu tun. Und Leben zu retten.“

Militärische Dienststelle

Das Sanitätsregiment 2 ist eine militärische Dienststelle des Zentralen Sanitätsdiensts der Bundeswehr mit rund 900 Angehörigen. Es ist in der Alsberg-Kaserne in Rennerod (Westerwald) sowie in der Falckenstein-Kaserne in Koblenz stationiert. Am letztgenannten Standort besteht es seit 2016.