Doch der Weg nach London ist weit. Der nach Vettelschoß dagegen nicht. Dort liegt das Little Britain Inn von Gary und Alyson Blackburn, ein eigenwilliges, liebevoll geführtes Hotel, das augenzwinkernd alle Klischees erfüllt und auch kulinarisch alles zu bieten hat, was Anglophile in Deutschland vermissen.
Vor allem derzeit leeren sich die Lagerbestände rapide, nicht zuletzt wegen des „Christmas Market“ im Hinterhof, der in dieser Art in der Bundesrepublik einmalig ist. Die Rhein-Zeitung darf trotzdem kurz in die Küche und die Speisekammer spinksen.
Leicht war es noch nie, britische Lebensmittel in Deutschland zu kaufen, aber seit dem Brexit ist die Lage richtig schwierig geworden, zumal viele alt eingesessene British Shops inzwischen aufgegeben haben. Im Zweifel muss Hotelbesitzer Gary Blackburn daher selbst auf die Insel fahren, um einzukaufen. „Das fängt schon bei so einfachen Dingen wie Tee an“, sagt der Mann aus Lincolnshire und zeigt im Lager auf eine ganze Palette mit verschiedenen Sorten. „Ein Earl Grey aus England schmeckt einfach anders als einer, der in deutschen Supermärkten verkauft wird, und manche Klassiker wie den Breakfast Tea bekommt man ohnehin nur selten.“ Und liefern lassen? Blackburn winkt ab. „Das dauert dann gern mal ein paar Wochen, und dann gibt es noch Probleme mit dem Zoll. Dann hole ich mir lieber selbst, was ich brauche.“ Und zwar kiloweise.
Gebäck, Pasteten, die Erbsen für Fish and Chips – und natürlich Ales und Stouts, die fein säuberlich aufgereiht in einem großen Regal im Lager stehen, aber auch bereits einige Lücken aufweisen. „Normalerweise haben wir etwa 40 Biersorten im Angebot“, sagt Blackburn, „derzeit sind es durch unseren Christmas Market weniger. Der Andrang ist riesig, das hätten wir im Vorfeld so nicht erwartet.“
In der kleinen Küche bereitet das Team derweil Pulled Pork in einem großen Bräter vor, der angesichts des erwarteten Andrangs am Wochenende doch wieder zu klein ist; im weiteren Verlauf des Tages sollen weitere Spezialitäten gemacht werden. Nichts Ausgefallenes, schließlich muss ja alles im Rahmen eines Weihnachtsmarkts verzehrt werden können, aber dennoch ist der Tag gut gefüllt. „Zum Glück habe ich in den vergangenen Jahren doch ein paar Lieferanten gefunden, die mich vor allem mit Fisch und Fleisch versorgen“, erklärt Blackburn. „In Bonn habe ich inzwischen sogar einen Metzger gefunden, der mir Würstchen nach original englischem Rezept herstellt. Wir haben viel experimentiert, bis die Würzung stimmte, aber inzwischen würde ich sagen, dass diese Waren besser sind als die aus einer britischen Metzgerei.“
Christmas Market
Der Christmas Market des Little Britain Inn (Bahnhofstraße 12–14, Vettelschoß) findet Samstag von 12 bis 22 Uhr sowie am Sonntag von 12 bis 20 Uhr statt. Weitere Infos unter www.thelittlebritaininn.com
Selbst Blackburn hatte nicht erwartet, dass die britische Küche ausgerechnet in Vettelschoß, quasi auf dem Land, so gut ankommt. „Geplant war das nicht“, gesteht der ehemalige Baumpfleger, der seinen Betrieb inzwischen längst an seine Söhne übergeben hat. „Ursprünglich habe ich das Gelände gekauft, um ein paar Oldtimer unterzustellen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Ich wollte aber auch meine Liebe zum Vereinigten Königreich ausdrücken, und so kamen meine Frau und ich auf die Idee mit dem Hotel und seinen individuell gestalteten Räumen.“ Das kam gut an, aber immer mehr Gäste fragten damals explizit nach einem Full English Breakfast.
„Also haben wir uns vergrößert, und jetzt haben wir eine echte Gastronomie, was sich auch schon herumgesprochen hat“, sagt Blackburn, lässt den Blick durch die Küche schweifen und lacht. „Wir haben Gäste aus ganz Deutschland, die immer wiederkommen. Wir haben Wochenenden, an denen machen wir 100 Full English Breakfasts. Und dann noch Scones. Und Kuchen. Und Fish and Chips. Und mehrere Fässer Guiness, die geleert werden. Für einen vergleichsweise kleinen Betrieb wie den unseren ist das der Wahnsinn.“ Nicht, dass sich Blackburn beklagen würde, immerhin hat er viel in das Projekt investiert. Klar ist aber auch, dass das Adventswochenende wieder anstrengend werden dürfte, bis der „Christmas Market“ zumindest für dieses Jahr Geschichte sein wird. Und dann? Da muss Blackburn wieder lachen. „Dann werde ich wahrscheinlich zeitnah wieder nach England fahren müssen.“ Zum Einkaufen.