Erster Heimsieg der Saison löst große Erleichterung aus und mindert etwas den Druck – Tore durch Andreas Ivanschitz und Adam Szalai.
Der lange Zeitraum der Erfolglosigkeit wirkte anscheinend sogar noch nach deren Ende verunsichernd. Die Fußballprofis des FSV Mainz 05 schienen sich nach dem Abpfiff kaum daran zu erinnern, welches Prozedere in Mainz nach Heimsiegen abläuft. Nur zaghaft bewegten sich die Akteure Richtung Westen auf die Stehplatztribüne zu. Es dauerte eine Weile, bis der Schulterschluss mit den eigenen Fans gelang, bis alle Beteiligten das freudige Ereignis in der Coface Arena gebührend zu feiern begannen.
Der erste Heimsieg. Der erste dreifache Punktgewinn der Saison. Der erste Erfolg seit Anfang April – seit jenem 4:0 gegen den 1. FC Köln. Nach sieben sieglosen Begegnungen Saison übergreifend hat die Mannschaft von Thomas Tuchel nun am vierten Spieltag der laufenden Runde das drohende Krisenszenario fürs Erste abgewehrt. 2:0 (2:0) vor 28 463 Zuschauern gegen Angstgegner FC Augsburg im wegweisenden Duell. Das erste positive Zeichen seit Wochen. Und eine wichtige Basis zum Auftakt der Englischen Woche mit den Auswärtsspielen morgen Abend (20 Uhr) beim FC Schalke 04 und am Sonntag in Wolfsburg.
Wichtig fürs Gefühl
Eine weitere Heimniederlage, das war klar, hätte eine höchst problematische Restvorrunde garantiert. Die wird sich auch nach diesem Erfolg noch schwierig genug entwickeln, aber die Stimmung ist nun eine andere. „Die Erleichterung ist natürlich riesengroß“, sagte Tuchel nach der Partie. „Wir haben unsere Situation ja offen thematisiert. In der Öffentlichkeit und auch in der Mannschaft und haben uns dem mit breiter Brust gestellt. Wir freuen uns sehr, weil die Bedeutung dieses Spiels für uns sehr groß war und sind glücklich über diesen Erfolg.“ Dieses Ergebnis, so der 05-Trainer, sei wichtig für das Gefühl. „Nichts hilft so sehr, als wenn man sich für großen Aufwand belohnt und brenzlige Situationen übersteht.“
Davon gab es auch gegen den FCA, der in der vergangenen Spielzeit sechs Punkte gegen die Mainzer auf dem Weg zum Klassenverbleib eingefahren hatte, genügend. Besonders in der zweiten Hälfte. Da sahen die 05er gegen einen auf bedingungslose Offensive setzenden und fußballerisch ansprechend attackierenden, sich gegen die drohende Niederlage stemmenden Gegner, nicht gut aus. Da gab es eine lange Phase, in der sich zeigte, wie fragil das durch die zwei frühen Treffer mühsam aufgebaute Selbstverständnis tatsächlich war.
Da blieb vom guten Spiel der ersten Hälfte wenig übrig. „Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass wir das Ergebnis nicht in spielerischer Perfektion hereinfahren würden“, räumte Tuchel ein. „Wir haben diese Phase mit dem nötigen Quäntchen Glück überstanden, die Partie nachher jedoch wieder in den Griff bekommen und das Ganze gut in Ruhe zu Ende gespielt.“
Die Mannschaft, so Tuchel habe es dann nur verpasst, in der stärkeren Schlussphase vielleicht noch einen positiven Schlusspunkt zu setzen. „Doch nach den Wochen ohne Sieg und dem extrem unglücklichen Auftakt dieser Saison sind wir dankbar, dass wir verdient gewonnen und zu Null gespielt haben. Das zählt erst einmal.“
Überlegene erste Hälfte
Die Rückkehr zur klaren Grundordnung im klassischen 4-4-2-System, dazu der Augsburger Versuch nicht betont defensiv aufzulaufen, sondern mitzuspielen und selbst den Weg nach vorne zu suchen, verschaffte den 05ern klare Vorteile in der ersten Hälfte und eine drückende Überlegenheit. Der frühe Führungstreffer durch Andreas Ivanschitz, bei dem der Österreicher davon profitierte, dass ihm FCA-Innenverteidiger Sebastian Langkamp beim Abwehrversuch einer Flanke von Eric-Maxim Choupo-Moting, den Ball aufs Knie drosch, die Kugel von dort ins Netz flog, machte den Anfang. Sechs Minuten danach hätte Adam Szalai, der sich in aufsteigender Form präsentierte, das 2:0 markieren können.
Der Ungar sprang am langen Pfosten artistisch in eine Ivanschitz-Flanke, bugsierte den Ball durch die Beine von Torhüter Mohamed Amsif an den Pfosten. Szalai erzielte dann jedoch wenig später sein Tor. Einen echten Mittelstürmertreffer. Der Ungar schloss eine schöne Kombination über Choupo-Moting und den ansonsten eher unglücklich aufspielenden Nicolai Müller ab, behauptete sich acht Meter vor dem Tor gegen zwei Augsburger und traf aus der Drehung heraus. Niko Bungert hätte mit seinem Kopfball nach Ivanschitz-Freistoß kurz vor der Pause das Ergebnis auf ein beruhigendes 3:0 stellen können, traf aber nur die Latte.
„In der zweiten Hälfte haben wir uns dann in eine passive Rolle drängen lassen“, kritisierte Tuchel. „Wir haben weniger nach vorne verteidigt, als wir wollten. Die Gäste haben zudem viel Qualität eingewechselt.“ Daraus resultierten drei extrem gefährliche Szenen: Torsten Oehrl scheiterte am starken Christian Wetklo (59.).
Starker Christian Wetklo
Unmittelbar danach parierte der 05-Keeper bärenstark gegen Aristide Bancé nach dessen Solo. Und schließlich traf Oehrl mit einem Kopfball nur die Latte (72.). Szalai (78.) und Müller (83.) hätten die Spannung raus nehmen können, verfehlten aber das Ziel.
„Dieser Sieg hilft ungemein, die Stimmung aufzubessern“, betonte der 05-Trainer. „Die Aufgabe wird dadurch nicht leichter, aber das Gefühl, mit dem wir zu Schalke fahren, ist deutlich besser.“
Jörg Schneider
FSV Mainz 05: Wetklo – Pospech, Bungert, Noveski, Diaz – N. Müller, Polanski, Soto (69. Baumgartlinger), Ivanschitz (61. Kirchhoff) – Szalai (84. Rukavytsya), Choupo-Moting.
FC Augsburg: Amsif – Verhaegh, Sankoh, Langkamp, de Jong – Baier, Ottl (57. Bancé) – Vogt, Moravek (70. Sio), Petrzela (46. Werner) – Oehrl.
Schiedsrichter: Michael Weiner (Ottenstein) – Zuschauer: 28 463.
Tore: 1:0 Ivanschitz (10.), 2:0 Szalai (25.); Gelbe Karten: – / Vogt (1), de Jong (2).