Mainz – Der routinierte Innenverteidiger Bo Svensson war der Unglücksrabe, dessen Fehler in der 89. Minute dem Hamburger SV den 1:0-Sieg am Bruchweg und dem FSV Mainz 05 nach sieben Siegen in Folge die erste Niederlage einbrockte – und den Verlust der Tabellenführung.
Bo Svensson verdrückte sich nach dem Abpfiff auf direktem Weg in die Kabine. Tunnelblick. Nicht ansprechbar. Der Innenverteidiger des FSV Mainz 05 tauchte ab, wollte mit niemanden reden. Wer den Dänen, dessen Verantwortungsgefühl, die Leidenschaft kennt, mit der sich der Routinier dieser Mannschaft verschreibt, mag erahnen, wie sehr die entscheidende Szene an Svenssons Gemüt nagte.
„Wer unsere Mannschaft und den Zusammenhalt hier kennt, weiß, dass niemand auf Bo böse ist. Er ist enttäuscht und sauer auf sich selbst“, erklärte Christian Heidel. „Es gibt Nullkommanull Vorwürfe. Er selber wird sich die meisten Gedanken machen. Aber es geht um eine Mannschaft, da passieren immer mal Fehler“, fügte der Manager des FSV Mainz 05 hinzu.
Die Partie gegen den Hamburger FSV schien gelaufen. Mit einem 0:0 nach einem dramatischen und hoch interessanten Bundesligaspiel, das dem Publikum alles bot. Mit einem Ergebnis, das der Leistung beider Teams gerecht geworden wäre.
Doch dann kam dieser HSV-Angriff in der 89. Minute über die linke Hamburger Angriffsseite. Ein langer Ball tief in die Mainzer Abwehr hinein. Svensson wollte die Kugel abschirmen, ins Aus laufen lassen, verschätzte sich jedoch dabei. Plötzlich stahl sich Zé Roberto hinter dem Dänen davon, stand auf der Grundlinie mit dem Ball am Fuß. Christian Wetklo stürmte aus dem Tor hin zu dem Brasilianer, der passte kühl ins Zentrum, von wo aus Paolo Guerrero den Ball direkt unter die Latte ins Tor schlenzte. 1:0. Die Hamburger hatten doch noch ihre Ankündigung wahr gemacht, den 05ern die erste Niederlage im achten Spiel beigebracht.
„Das war einfach saublöde“, schilderte der 05-Keepper nachher die Szene. „Bo versucht zu blocken, Guerrero kriegt die Kugel perfekt und zieht in den Winkel. Christian Fuchs steht noch im Tor, kommt aber nicht mehr dran.“ Es sei so gewesen, als habe man sich das Ding selber reingehauen, ergänzte Eugen Polanski zerknirscht. „Bo Svensson weiß, wie das bei uns gesehen wird. Er hat vorher ein Riesenspiel gemacht. Er hat gedacht, der Ball geht ins Aus. Das war so nicht abgesprochen“, sagte Heidel scherzhaft. Er wolle den Spielern überhaupt nicht vorhalten, sie hätten zu viel riskiert und deshalb das 0:1 gefangen. „Es war eine Klasseaktion von Zé Roberto. Sicherlich hat Svensson da nicht ganz so glücklich ausgesehen. Das passiert. Dann fällt halt ein Tor.“
Das Bittere an dieser Geschichte ist die Tatsache, dass die Mainzer in der zweiten Hälfte der spannenden Partie auf dem Weg waren, ihren achten Sieg heimzufahren, einen neuen Rekord aufzustellen, als sie das Unglück ereilte. „Vielleicht müssen wir als Mannschaft in solchen Spielen noch cleverer werden“, suchte Polanski nach Gründen für das Geschehen. In den letzten Minuten hätte man eventuell erkennen müssen, dass es nicht zum Sieg reicht und deshalb auf Halten spielen. „Aber wir waren die zweite Halbzeit doch gut im Spiel, hatten ein klares Chancenübergewicht. Eventuell waren wir uns etwas zu sicher“, sagte der Mittelfeldspieler, der eine starke Leistung gezeigt hatte.
Die jungen Spieler, die zuletzt meist die Entscheidung zugunsten der Mainzer erzwungen hatten, tröstete das alles nicht. „Ich muss einfach ein Tor machen“, betonte André Schürrle, der mehrere gute Möglichkeiten hatte. Er ärgere sich wahnsinnig darüber, dass er die Gelegenheiten nicht genutzt habe, sagte der künftige Nationalspieler, den Bundestrainer Jogi Löw von der Tribüne aus unter die Lupe genommen hatte. „Wir hätten wirklich gerne dieses Spiel gewonnen und den Rekord geholt.“ Lewis Holtby ging es nicht anders. „Vielleicht war ich nach dem Lauf zu kaputt“, erklärte der andere 05-Nationalspieler in spe. Bei dessen Solo in der 76. Minute verhinderte Frank Rost den Mainzer Führungstreffer. „Meine Beine waren schwer. Ich wollte ihn einfach hinten rechts in die Ecke machen, aber heute hatten wir irgendwie die Scheiße am Fuß“, sagte der 20-Jährige, der trotz Manndeckung von Tomas Rincon gute und gefährliche Szenen hatte. „Irgendwann musste ja eine Niederlage kommen, aber heute war sie nicht notwendig“, brachte Polanski die 90 Minuten auf den Punkt.
Jörg Schneider