Mainz – Und plötzlich sieht die Welt wieder ganz anders aus. In diesen 90 Minuten von Mönchengladbach hat der FSV Mainz 05 mit einem Schlag jegliche Trübsal der vergangenen Wochen vertrieben und darf sich als Gewinner dieses 13. Bundesligaspieltages feiern lassen. Mit dem 3:2 (0:0)-Sieg vor 45 472 Zuschauern im Borussia-Park stocken die Mainzer ihr Punktekonto auf 27 Zähler auf, erobern sich den zweiten Tabellenplatz zurück und sind wieder Verfolger Nummer eins von Borussia Dortmund. Ganz nebenbei hat die Mannschaft von Thomas Tuchel damit einen neuen Vereinsrekord in der Bundesliga aufgestellt.
Ihr Comeback vollzogen die zuletzt glücklosen, verunsicherten und hadernden 05-Profis nicht wie vom 05-Trainer befürchtet in kleinen Schritten, sondern mit einem beeindruckenden Befreiungsschlag. Zweimal ging Borussia Mönchengladbach in Führung, zweimal schlugen die 05er zurück und setzten mit einem fabelhaften Treffer von Edeljoker Sami Allagui gnadenlos noch einen drauf zum fünften Auswärtssieg der Saison. „Ich bin sehr stolz und sehr erleichtert“, sagte ein emotional stark aufgewühlter 05-Trainer nach dem Triumph. Tuchels Freude galt vor allem der Art und Weise, wie sich die 05er in Gladbach aus der Krise schossen – nach einigen schmerzhaften Nackenschlägen.
Zunächst musste Christian Wetklo schon früh verletzt sein Tor räumen und verhalf damit dem 39-jährigen Martin Pieckenhagen zum Saisondebüt. Dann traf es Malik Fathi, der mit Gehirnerschütterung ins Krankenhaus musste, ehe auch noch Marcel Risse verletzt ausschied. Als schließlich Marco Reus die Gastgeber zweimal in Führung brachte, schien sich ein ähnlicher Verlauf wie in den Spielen zuvor anzudeuten, doch Tuchel und seine Profis fanden die richtigen Antworten. Der starke André Schürrle glich zuerst aus. Dann schickte Tuchel Allagui aufs Feld, der mit zwei wunderbaren Toren das Mainzer Glück perfekt machte.
„Man kann den Spielern sehr viel von den Gesichtern ablesen“, sagte Christian Heidel anschließend. „Diesmal habe ich ihnen angesehen, dass sie nach den Rückständen nicht deprimiert waren. Ich habe nach dem 1:2 gesagt, das hier ist noch nicht gelaufen.“ Der 05-Manager behielt Recht. „Die Umstände dieses Sieges waren ganz wichtig für die Psyche der Mannschaft. Die Spieler haben heute sogar viel ausgelassener gejubelt als in den Wochen der Erfolgsserie“, bemerkte Heidel. „Der Trainer hat das einfach perfekt hinbekommen. Ich hatte schon die Woche über ein gutes Gefühl. Der Mannschaft hat man angemerkt, dass sie sich richtig auf dieses Spiel gefreut hat. Diesmal habe ich von der ersten Minute an gespürt, die wollen hier gewinnen.“
Das Interessanteste an den 27 Punkten sei für ihn die Erkenntnis, welche Bundesligaklubs diese Punktzahl nicht erreichten. „Das ist für unseren Verein eine ganz außergewöhnliche Marke. Und ich muss sagen, wir stehen zurecht da oben“, sagte Heidel. Den schönen Nebeneffekt, den dieser Saisonverlauf mit sich bringt, hat Heidel schon erlebt. „Wenn ich im Moment mit potenziellen Neuzugängen rede, nehmen die mir schon ab, dass wir auch in der nächsten Saison Bundesliga spielen. Das ist ein großer Pluspunkt für uns.“
Jörg Schneider