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„Corona beschleunigt dringend notwendige Veränderungen“

Digitalisierung, Vermögen aus Aktien und Besinnung aufs Regionale: Kreissparkasse Birkenfeld und DekaBank blicken in die Zeit nach der Krise.

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IDAR-OBERSTEIN. Das Coronavirus hat innerhalb kürzester Zeit den Alltag der Menschen auf den Kopf gestellt und viele Branchen aus dem Tritt gebracht. Allerdings gibt es auch Profi teure, insbesondere aus digitalen Bereichen. Stand hält bislang der Finanzsektor. Doch muss er sich auf weitere Veränderungen einstellen? Und was bedeutet das für die Anleger? Der Vorstand der Kreissparkasse Birkenfeld, Thomas Späth und Torsten Rothfuchs, erklären gemeinsam mit Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, womit Wirtschaft, Politik und Sparer jetzt rechnen müssen.

Wie geht die Sparkassenorganisation mit der Corona-Krise um? Sind mittlerweile besondere Schwerpunkte in diversen Branchen erkennbar?

Thomas Späth, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse
Thomas Späth, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse
Foto: Kreissparkasse Idar-Oberstein

Späth: Natürlich spüren auch wir die Auswirkungen der Krise. Wir als Sparkasse haben allerdings sehr frühzeitig vielfältige Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter sowie die Kontinuität unserer Geschäfte sicherzustellen. Auch waren und sind wir immer für unsere Kunden erreichbar. Wir sind gut aufgestellt bei Eigenkapital und langfristiger Liquidität. Die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter sind sicher. Zur Sicherung der Grundversorgung mit Bargeld und Bankdienstleistungen haben wir in Abstimmung mit unserem Verwaltungsratsvorsitzenden unsere Filialen bewusst offengelassen.

Rothfuchs: Die Förderprogramme werden sehr gut angenommen. In unserer Region sind insbesondere das Dienstleistungs- und Gastgewerbe in einer schwierigen Situation. Hier wollen wir unserer Wirtschaft vor Ort direkt helfen. So haben wir mittlerweile mehr als 50 Anträge auf Förderung erhalten. Das Zusammenspiel mit der KfW hat gut funktioniert, wie uns auch die IHK bestätigt. Das größte Problem war eigentlich die große Zahl an Programmen, die man kurzfristig bei der Förderung hatte.

Wurde die Gefahr des Virus für die Wirtschaft komplett unterschätzt? Oder wird sie vielleicht auch überschätzt, weil jetzt ohnehin anstehender Strukturwandel tatsächlich stattfindet?

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank
Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank
Foto: Deka Bank

Kater: Die Krise ist bis Anfang April von den reinen Zahlen her unterschätzt worden. Aber dass es eine Jahrhundertrezession werden würde, war schnell klar, und nur so konnten sehr schnell Rettungsnetze gespannt werden. Jetzt ist eher wichtig, wie wir wieder heraus kommen. Dazu haben die Bundesregierung und die Notenbanken weltweit schnell reagiert und Maßnahmen in nie dagewesenen Volumen angekündigt und bereitgestellt. Die zweite Jahreshälfte wird zeigen, wie schnell sie wieder auftaut. Corona erfindet keinen neuen Trends. Es beschleunigt, was schon vor der Krise angelegt war, zum Beispiel Digitalisierung, Verschuldung und hohe Liquidität über die Notenbanken.

Stichwort Schulden und Niedrigzinsen: Viele Menschen sorgen sich aktuell noch mehr als sonst um ihr Erspartes oder ihre Altersvorsorge.

Kater: Auch hier legt Corona eine ganz alte Diskussion noch stärker offen: Verschuldung war schon vor Corona ein Problem. Der Trend zu Fonds und Aktien wird sich ebenfalls intensivieren. Eine Inflation ist nicht zu befürchten, stattdessen werden die durch die Notenbanken neu geschaffenen Gelder gehalten und in Vermögensbildung investiert. Das ist auch kein Widerspruch. Gemessen an den Zeiträumen, um die es dabei geht, ist Corona nur eine Episode. Die Wirtschaft wird Ende 2021 mit der Produktion wieder das Niveau vor Corona erreicht haben, die Finanzmärkte mit Auf und Ab möglicherweise auch schon früher.

Späth: Deshalb geht unsere Beratung klar auf das Thema Fonds und eigene Immobilien. Die Deutschen sind da teilweise traditionell eher zurückhaltend, was aber eben auch die geringe Eigentumsquote bei Immobilien im europäischen Vergleich erklärt.

Noch mal zurück zur KfW. Es gibt auch unzufriedene Töne?

Späth: Das können wir so nicht bestätigen. Sicherlich war gleichzeitig viel Aktivität erforderlich. Aber es gab keine bemerkenswerten Kundenbeschwerden, was durchaus als ein guter Indikator zu werten ist. Allerdings kann man in der jetzigen Zeit auch nicht alle retten. Das ist leider so. Einige wenige Unternehmen konnten die Bonitätskriterien, an die wir uns bei der Kreditvergabe trotz 100 Prozent Absicherung durch die KfW weiterhin halten müssen, nicht erfüllen.

Droht jetzt wegen Corona die nächste große Eurokrise?

Kater: Ebenfalls ein altes Phänomen: die unterschiedliche Wirtschaftskraft und Schuldenentwicklung in den Euro-Staaten. Italien etwa steuert auf einen Schuldenstand zu, der nur noch bei weiterhin sehr niedrigen Zinsen und ohne weitere Rückschläge erträglich ist. Das kann eine Weile lang durch die europäische Zentralbank stabilisiert werden. Aber der Druck hin zu einer politischen Lösung ist enorm gestiegen, der jetzt beschlossene europäische Wiederaufbaufonds ist da ein Anfang.

Um die Vergemeinschaftung dieser Schulden wird leidenschaftlich diskutiert. Aber ist diese Vergemeinschaftung durch das Anleihekaufprogramm der EZB nicht längst Realität geworden?

Kater: Die gegenwärtige Krise ist eine Gemeinschaftsaufgabe, da besteht weitgehend Einigkeit. Die alten Schulden aus der Vergangenheit sind keine Gemeinschaftsaufgabe, darüber herrscht viel Streit. Fakt ist aber auch: Die Staaten werden keine zweite Eurokrise zulassen. Das EZB-Programm läuft noch bis weit ins kommende Jahr hinein. Was wir dann brauchen, ist ein Plan für die nächsten zehn Jahre. Das Schuldenthema wird im kommenden Jahrzehnt das beherrschende Thema sein, auch weltweit. Ich hoffe, dass die Staaten einen Modus finden, bei dem finanzielle Solidarität in Europa mit gemeinsam beschlossenen Wirtschaftsreformen einhergeht. Wenn das nicht klappt, dann wird die Notenbank auf Dauer als Geldgeber der letzten Instanz benötigt werden. Das kann jahrelang gut gehen, aber die Gefahren auf diesem Weg sind groß.

Die Infektionszahlen steigen zwar weltweit an, doch in Europa und hier in Deutschland sinken diese dankenswerterweise. Wie sieht die Zeit nach Coronas aus?

Torsten Rothfuchs, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse
Torsten Rothfuchs, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse
Foto: Kreissparkasse Idar-Oberstein

Rothfuchs: Sie wird deutlich digitaler sein, der Innovationsdruck steigt. Und gleichzeitig werden die Menschen merken, dass physische Nähe ab einem bestimmten Punkt nicht zu ersetzen ist und sogar wertvoller werden wird. Auf das regionale Geschäftsmodell der Sparkassen wird das genau so zutreffen. Kater: Die Wirtschaftswelt nach Corona wird regionaler werden. Die Staaten ziehen sich mehr und mehr in ihr nationales Schneckenhaus zurück, allenfalls das befreundete Ausland wird noch als Produktionsstandort für die wirklich wichtigen Güter und Dienstleistungen anerkannt. Und einige Gewohnheiten werden sich wohl dauerhaft ändern: Bei mehr Homeoffice und Onlinebestellungen wird der bislang erwartete Mehrbedarf nach Büroflächen geringer ansteigen, der nach Einzelhandelsflächen könnte sogar zurückgehen. Dafür werden aber Logistikflächen noch stärker gefragt sein.

Und wie ist es mit dem großen Thema Nachhaltigkeit, das vor Corona die Debatte bestimmt hat? Kommt es wieder? Sogar stärker als vor der Krise?

Rothfuchs: Das wird stufenweise weitergehen, das Bewusstsein ist da und das ist auch richtig so. Nähe und Regionalität werden ihre Renaissance erleben. Im täglichen Leben, aber auch bei Fragen der Geldanlage. Kater: Ich glaube auch, dass das Thema zurückkehren wird. Aber den permanenten Shutdown zu fordern, um die Umwelt zu schützen, ist wohl keine gute Idee, denn wir sehen jetzt sehr deutlich, wovon das Funktionieren der Gesellschaft abhängt. Und auch Wachstum wird weiter wichtig bleiben. Es muss gelingen, die Umweltkosten in die Produktion einzurechnen, dann ist dieses Wachstum nachhaltig und somit verkraftbar.