Böhrnsen: Bremen sieht auch Reformbedarf

Herr Böhrnsen, Bremen ist seit mehr als 40 Jahren Nehmer beim Finanzausgleich. Können Sie verstehen, dass die Geduld der Geber zu Ende geht? Zum vollständigen Bild gehört, dass Bremen auch mal Geberland und Bayern in seiner Geschichte länger Empfänger als Geber war. Das zeigt, worum es geht: die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen, damit überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse entstehen.

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Herr Böhrnsen, Bremen ist seit mehr als 40 Jahren Nehmer beim Finanzausgleich. Können Sie verstehen, dass die Geduld der Geber zu Ende geht?

Zum vollständigen Bild gehört, dass Bremen auch mal Geberland und Bayern in seiner Geschichte länger Empfänger als Geber war. Das zeigt, worum es geht: die unterschiedliche Finanzkraft der Länder auszugleichen, damit überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse entstehen. Bayern und Hessen wollen vor Gericht ziehen. Auch Bremen selbst sieht Reformbedarf beim Länderfinanzausgleich. Wo genau?

Bremen hat immer darauf hingewiesen – und wird es auch weiterhin tun –, dass sich unsere hohe Wirtschaftskraft nicht in der Finanzkraft widerspiegelt. Zwei Beispiele: Die Lohn- und Einkommensteuer werden eben nicht dort gezahlt, wo sich die Betriebsstätte befindet, was für Bremen vorteilhaft wäre, sondern dort, wo die Arbeitnehmer wohnen. Und die Verteilung der Umsatzsteuer erfolgt im Wesentlichen nach Einwohnern – das Geld geht also nicht dorthin, wo der Umsatz gemacht wird, was für Bremen ebenfalls ein Nachteil ist. Dazu kommt, dass die Ausgaben für die Häfen nicht genügend berücksichtigt werden. Bremen wird sich jedenfalls nicht nur verteidigen, sondern in die Offensive gehen, zum Beispiel bei der Frage der Einwohnerwertung der Stadtstaaten. Da kann man mit Recht die Frage stellen, ob 135 Prozent wirklich angemessen sind. Ökonomen fordern, dass die Länder auch auf der Einnahmeseite – Stichwort Steuern – mehr Spielräume erhalten sollten. Ein richtiger Weg?

Ob die Länder Zu- oder Abschlagsrechte bei der Lohn- und Einkommensteuer bekommen sollten, ist in beiden Föderalismuskommissionen ausgiebig diskutiert worden. Ich habe immer die dezidierte Auffassung vertreten, dass das der völlig falsche Weg wäre. Der Wettbewerb zwischen den Ländern wäre von Anfang an unfair, weil die reicheren Länder ihre Steuersätze senken könnten und die finanzschwächeren Länder gezwungen wären, sie zu erhöhen. Das würde also eine Abwärtsspirale in Gang setzen und damit die Probleme vergrößern und nicht verringern.

Bremen wird 2013 voraussichtlich 530 Millionen Euro neue Schulden machen. Ist es ein realistisches Ziel, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen?

Bremen hat ein ambitioniertes Ziel. Diesen Weg müssen wir gehen – nicht nur, weil das Grundgesetz uns dies vorgibt, sondern auch, weil es die einzige Chance ist, unsere finanzielle Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen. Dieser Weg ist anstrengend, aber ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen können. Allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen: eine gute wirtschaftliche Entwicklung, keine erneuten Finanz- und Wirtschaftskrisen und keine Steuersenkungen zulasten der Länder.

Das Gespräch führte Ben Zimmermann