Neuwied. Wenn ein Paar kein Kind bekommen kann und es am Mann liegt, verweist der Urologe oder das Kinderwunschzentrum oft an die Klinik für Urologie und Kinderurologie des Marienhaus-Klinikums St. Elisabeth. „Jeder Fall ist individuell“, sagt Chefarzt Dr. Wolfgang Stollhof. Ob er und seine Kollegen helfen können, hängt von vielen Faktoren ab.
Seine Patienten kommen nicht nur aus dem Kreis Neuwied, sondern bis aus Trier, Bad Neuenahr, Boppard, Oberwesel und Altenkirchen, berichtet Stollhof. Und oft kommen sie mit großen Erwartungen. Der Chefarzt muss manchen enttäuschen, wenn der Mann keine Spermien produziert, dann kann auch er nichts machen.
Nach einem Gespräch untersucht Stollhof den Patienten. Sieht er Chancen, dass Spermien zu finden sind, wird ihm im Kinderwunschzentrum Hodengewebe entnommen und eingefroren. Das ist zeitlich unbegrenzt einsetzbar, erläutert Stollhof. Die Frau bekommt Hormone, damit mehrere Eizellen reif werden. Mit einer Mikropipette wird ein Spermium aus dem Hodengewebe entnommen und in die Eizelle injiziert. Hat diese in zwei Tagen angefangen sich zu teilen, wird sie der Frau eingepflanzt. In Deutschland ist das zeitgleiche Einpflanzen von bis zu drei befruchteten Eizellen erlaubt, erläutert Stollhof. Länger warten, um zu schauen, ob sich die Eizelle normal entwickelt, verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz. Die so genannte Baby-Take-Home-Rate – also der Anteil von Frauen, die danach ein lebendes Baby zur Welt bringen – liegt bei rund 30 Prozent.
Aber diese Methode – Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI-Therapie) – ist nicht ohne Risiko, warnt Stollhof. Denn die „hohe Östrogenbelastung erhöht das Brustkrebsrisiko der Frau“ – gerade bei mehreren Versuchen der künstlichen Befruchtung. Deshalb kritisiert der Chefarzt, dass die Paare heute ungeduldiger in Sachen Kinderwunsch sind. „Früher kamen sie nach drei bis vier Jahren, heute nach acht Monaten“, wenn es mit der Zeugung nicht klappt. Ein bis zwei Jahre probieren müssten es die Paare schon, das sei völlig normal.
„Nicht selten kommen Männer, die sich sterilisieren ließen und wollen mit einer neuen Partnerin jetzt doch noch ein Kind“, berichtet der Chefarzt mit 20-jähriger Berufserfahrung. Das sind deutlich mehr als früher. Ist das Hodengewebe noch intakt, können dort Spermien für eine künstliche Befruchtung entnommen werden. „Ich erlebe auch, dass 70-Jährige kommen und mit einer jungen Frau ein Kind haben wollen“, sagt Stollhof. Hier weist er sie unter anderem auf das höhere Risiko für eine Trisomie beim Baby hin und darauf, wie alt der Vater ist, wenn das Kind in die Pubertät kommt. „Ich kann sie meistens nicht umstimmen.“ Aber der Chefarzt kann aus ethischen Gründen eine Behandlung ablehnen. „Ich mache das nicht in jedem Fall.“
Gründe, warum der Mann kein Kind zeugen kann
Es gibt drei Ursachengruppen, dass der Mann auf natürlichem Weg kein Kind zeugen kann: Erstens, er bildet keine Spermien, zweitens, der Weg ist verschlossen oder drittens, er hat keine Erektion oder kann nicht ejakulieren. Dass der Mann keine Spermien produziert, kann etwa durch eine Mumpsinfektion ausgelöst worden sein oder darin begründet liegen, dass in der Kindheit nicht bemerkt wurde, dass der Hoden entweder nicht richtig in den Hodensack hinuntergewandert ist oder zum Beispiel bei einem Leistenbruch hochgewandert ist. Dann ist es zu warm für die Hoden, die immer 2 bis 3 Grad kälter sein müssen als der Rest des Körpers, erläutert Chefarzt Dr. Wolfgang Stollhof vom Marienhaus-Klinikum St. Elisabeth. Verbleibt der Hoden länger als bis zum ersten Lebensjahr im Leistenkanal oder im Bauchraum in erhöhter Umgebungstemperatur, ist das Drüsengewebe bezüglich der Spermienproduktion in seiner Funktion eingeschränkt. Das muss eigentlich 20 Millionen Spermien auf einen Kubikmillimeter produzieren, weniger führt zu einer verminderten Fruchtbarkeit. Bildet der Mann keine Spermien, kann im Kinderwunschzentrum nur geschaut werden, ob eine Befruchtung mit Fremdsperma in Betracht kommt, erläutert Stollhof. Dass der Weg verschlossen ist, kann unter anderem an einer bestimmten Genkonstellation im Zusammenhang mit Mukoviszidose liegen, dann ist er gar nicht angelegt. Durch Entzündungen kann der Weg zerstört oder vernarbt und damit verstopft sein. „Das ist ein häufiger Grund“, erläutert der Chefarzt. Bei Erektionsstörungen etwa wegen einer Beckenfraktur, einer Lähmung oder Durchblutungsstörungen kommt meist nur eine künstliche Befruchtung infrage, hat sie psychische Ursachen, helfen manchmal auch sexual- und psychotherapeutische Maßnahmen weiter.
Von unserer Redakteurin Yvonne Stock