Gastbeitrag von Theo Zwanziger: „Jeder sollte wissen, wann es Zeit ist zu gehen“

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Will zurücktreten: DFB-Präsident Theo Zwanziger. Foto: DPA

Theo Zwanziger hat seinen Rücktritt angekündigt. Im Folgenden dokumentieren wir im Wortlaut seinen Gastbeitrag für die Rhein-Zeitung, in dem der DFB-Präsident den Zeitpunkt und die Umstände seines Rückzugs erläutert.

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Es soll ja Menschen geben, die meinen, ich wäre gelegentlich ein wenig zu impulsiv oder sogar aktionistisch. Eine, zumindest ab und an, nicht ganz so falsche Einschätzung. Meine Entscheidung, über den Bundestag 2013 hinaus nicht mehr als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zur Verfügung zu stehen und wenn möglich bereits im Oktober 2012 den Weg für einen Nachfolger im höchsten und zumeist schönsten Amt des deutschen Fußballs frei zu machen, ist jedoch weder impulsiv noch aktionistisch. Im Gegenteil, sie ist wohl durchdacht.

Genau genommen war mein Entschluss, dass es nach fast zwanzig Jahren in leitenden DFB-Positionen an der Zeit ist, den Weg für neue Personen und somit auch neue Ideen frei zu machen, bereits im Sommer des vergangenen Jahres gefallen. Dass es schlussendlich anders gekommen ist, hatte verschiedene Gründe. Neben dem charaktervollen Verhalten von Bundestrainer Joachim Löw, der bei seiner Vertragsverlängerung davon ausging, dass ich als Präsident an Bord bleibe, und deutlichen Worten meiner langjährigen Wegbegleiter Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach, war es vor allem die Nachfolgeregelung, die mich noch einmal zum Umdenken brachte. Die Zeit zwischen WM und Bundestag wäre womöglich zu kurz gewesen, um eine reibungslose Übergabe an der Spitze des Verbandes zu gewährleisten. Und natürlich hat mich auch die Frauenfußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land sehr gereizt.

Heute, eineinhalb Jahre später, ist die Situation jedoch eine andere. Ich sehe zumindest im nationalen Bereich für mich persönlich keine großen Herausforderungen mehr. In den zurückliegenden Jahren haben wir einiges bewegt. Der DFB steht wirtschaftlich und sportlich besser dar denn je. Auch mein Anliegen, den Verband nachhaltig als gesellschafts- und sozialpolitische Kraft stärker in Deutschland zu verankern, ist umgesetzt. Zudem hatte ich das wohl einmalige Glück in meiner Amtszeit zwei wunderbare Weltmeisterschaften im eigenen Land erleben zu dürfen.

Alles in Allem blicke ich also zurück auf eine sehr schöne Zeit. Ich war beim Deutschen Fußball-Bund Beauftragter für soziale Integration, Büroleiter des damaligen Präsidenten Egidius Braun, Schatzmeister, Geschäftsführender Präsident und schließlich Präsident. Eine abwechslungsreiche Zeit, in der auch viele Freundschaften entstanden sind. So wird mich mit Egidius Braun immer das soziale Bewusstsein verbinden, mit Gerhard Mayer-Vorfelder das permanente Streben nach einer verbesserten Nachwuchsförderung.

Doch jetzt weiß ich, dass es Zeit ist, mich zurückzuziehen. Dafür benötige ich keine festgeschriebene Altersgrenze oder gut gemeinte Ratschläge. Deshalb habe ich bereits im Sommer eine Nachfolgeregelung vorbereitet. Ein entsprechendes Konzept werde ich den Gremien des DFB vorlegen. Mehr als einen Vorschlag kann und werde ich jedoch nicht machen – entscheiden müssen andere.

Sicherlich wird sich der eine oder andere nunmehr die Frage stellen, warum ich meine aktuelle Amtszeit nicht komplett, also bis zum DFB-Bundestag im Oktober 2013, erfüllen will. Der Grund dafür ist pragmatisch und zum Wohle des Verbandes, dem ich viel zu verdanken habe. Im Frühjahr 2013 endet mein Mandat im Exekutivkomitee der UEFA. Mein Nachfolger wäre dann bereits im Amt und könnte diese europäischen Aufgaben übernehmen. Es ist ungemein wichtig, dass der deutsche Fußball auch in Zukunft in den höchsten internationalen Gremien vertreten ist.

Natürlich haben auch Krisen, wirkliche und vermeintliche, zu meiner Entscheidung beigetragen. Dass der DFB sportlich, aber auch wirtschaftlich sehr gut dasteht und heute ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießt, kommt in der täglichen Berichterstattung manchmal zu kurz. Das mögliche Fehlverhalten einiger Schiedsrichter, Wett- und Spielmanipulationen oder die Rachegelüste eines ehemaligen Schiedsrichter-Obmannes bringen eben lukrativere Schlagzeilen. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, es ist ein Spiegelbild unserer Zeit. Wer in der Öffentlichkeit steht, muss das akzeptieren, schließlich wird niemand gezwungen DFB-Präsident zu werden.

Egal ob nun Oktober 2012 oder 2013, eines steht fest. Ohne die anstehenden Aufgaben zu vernachlässigen oder in meinem Engagement nachzulassen freue ich mich bereits jetzt auf die Zeit „danach“. Endlich werde ich mehr Zeit haben für meine Familie, besonders für meine vier Enkelkinder. Vielleicht schreibe ich auch ein Buch über all die Erlebnisse der zurückliegenden Jahre. Vor allem aber werde ich mich auch verstärkt meiner privaten Stiftung widmen, die ich im vergangenen Jahr gegründet habe und mit der ich dem Frauen- und Mädchenfußball in meiner Heimatregion, der ich auch in den zwanzig Jahren beim DFB stets eng verbunden geblieben bin, noch einiges zurückgeben kann. Langweilig, das weiß ich schon heute, wird es mir sicherlich nicht werden.