Berlin – Jungs spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen – oder? Ein Siebenjähriger aus Berlin findet das nicht so selbstverständlich, sein Beschwerdebrief macht im Internet Furore – und der kleine Mann rennt offene Türen ein.
Es war beim Frühstück: Moritz, seine kleine Schwester und die Eltern schauen nebenbei noch in einem Katalog mit Kinderprodukten. Mutter Manuela Schauerhammer seufzt: Der Katalog entspricht den gängigen Rollenbildern. Zu sehen sind Jungs, die mit Autos spielen und Mädchen mit Puppen. Was für Produktmanager dem Anschein nach selbstverständlich anmutet, ist es für Moritz und seine Schwester nicht. „Sie blätterten den Katalog Seite für Seite durch – und fanden das ziemlich erstaunlich“, schreibt Manuela Schauerhammer in ihrem Blog.
Weil Moritz es aber nicht beim Wundern belassen hat, verbreitete sich der Link zu ihrem Blog am Dienstag schnell in Sozialen Netzwerken. Denn Moritz hat dem Versandhändler Jako-o geschrieben – und seine Mutter den Brief in den Blog eingebunden. Er bekam schnell das Etikett „Bester Beschwerdebrief der Welt.“
Moritz schrieb: „Wir finden es doof dass bei fielen Sachen wie Autos nur die Jungs spielen. Und bei den Bildern mit den Pferden zum Beispiel nur die Mädchen.“ Sein Rat an den Händler im fränkischen Bad Rodach: „Ich finde, das sollte sich endern!“
Natürlich würden Kinder von ihren Eltern beeinflusst, sagt seine Mutter. Die Idee, den Brief zu schreibe, habe Moritz aber ganz von alleine gehabt. Und auch beim Inhalt habe ihm niemand hineingeredet. „Wir haben bei unserer Erziehung einen sehr freiheitlichen Ansatz.“
Moritz machte es sich nicht einfach, griff zum Kinderduden, um manche Wörter nachzuschlagen – und hatte seine Botschaft an Jako-o schließlich fertig. „Ende der Botschaft“, schließt er seinen Brief. Im Blog findet er sich auch deshalb, weil Manuela Schauerhammer damit ein Anliegen verbindet. „Ich finde es wichtig zu zeigen, dass auch Kinder Einfluss auf die Gesellschaft haben können.“ So hat sie auch den Blog-Beitrag überschrieben: „Was bewegen? Kann man schon mit sieben.“
„Kann ich unbekannterweise Deinen Sohn küssen?“, war eine der ersten Reaktionen, die sie auf Twitter erhielt. Dort verbreitete sich der Link zu dem Blogbeitrag schnell. Und schnell fragten sich auch Twitterer, ob Jako-o wohl mitbekommt, was sich in den Sozialen Medien gerade tut.
Von den verzückten Lesern des Blogs wusste man dort zwar noch nichts. Jako-o-Geschäftsführerin Bettina Peetz hatte den Brief nach einem Anruf unserer Zeitung aber schnell auf dem Schreibtisch – und stimmte Moritz zu: „Es ist leider was dran am Brief von Moritz, wir werden das beim nächsten Katalog besser machen.“ Das Bewusstsein sei bei dem Unternehmen vorhanden, das seinen Katalog mit 25.000 Produkten an 1,5 Millionen Haushalte verteilt. „Es liegt mir selbst sehr fern, alte Rollenbilder zu zementieren, bei meinen Kindern oder sonstwo“, sagt die Geschäftsführerin.
Deshalb würden auch gezielt Kinder mit Spielzeug fotografiert, das traditionell eher dem anderen Geschlecht zugeordnet wird. „Ein paar Bilder haben wir auch, da hat der Moritz nicht ganz genau hingeschaut.“ Beim Entstehungsprozess des Katalogs sei aber von den vielen Beteiligten so ausgewählt worden, dass nun der unglückliche Eindruck entstehe. „Beim nächsten Katalog müssen wir da vielleicht noch eine zusätzliche Kontrollschleife einbauen.“ Er erscheint im Februar, die Produktion läuft demnächst an. Und Moritz kann vielleicht ein Wörtchen mitreden: „Wir laden ihn und seine Mama Manu gerne ein.“
Ohen Beschwerden wird aber auch der nächste Katalog nicht bleiben: „Wir hatten auch schon wütende Anrufe und Briefe, als wir einen bügelnden Jungen gezeigt haben...“
Lars Wienand