Zum Naturschutz: In Borkum werden Katzen geschossen

Eine Katze schleicht sich an die Beute. In Borkum sollen streunende Tiere gezielt geschossen werden. Foto: Luis Sánchez <a href="http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html" target="_blank">GFDL</a> 
Eine Katze schleicht sich an die Beute. In Borkum sollen streunende Tiere gezielt geschossen werden. Foto:  Luis Sánchez

Borkum -In Borkum sollen jetzt streundende Katzen geschossen werden, um eine vom Aussterben bedrohte Vogelart zu schützen. Eine Petition gegen das Katzentöten zieht schnell Kreise.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Mit bis zu 45 Zentimetern Höhe sind Uferschnepfen große Vögel – und unerschrocken dazu. Im Tiefflug attackieren sie Nesträuber, gegen Greifvögel wagen sie sich in den Luftkampf. Aber die Katzen auf Borkum sind zu viel für sie, meinen Experten. Und deshalb ist das Töten von wilden Katzen geplant, wie die Ostfriesen-Zeitung berichtet. Gezielte Jagd auf Katzen – manche Tierschützern bemühen da Vergleiche zu Rumänien, wo gerade das Massentöten von Straßenhunden vom Verfassungsgericht gebilligt worden ist. Sicher nichts, was ein Ort gebrauchen kann, der maßgeblich vom Tourismus lebt.

Es gehe „nur“ um die Katzen, die wild durch die Dünen streifen, versichern Vertreter vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und der Jägerschaft. Hauskatzen – mit Halsband – sollen verschont bleiben. Die Katze auf Borkum – eine vom Menschen auf die Insel gebrachte und damit „nichtheimische, gebietsfremde und invasive Art“, die „beseitigt werden“ kann, wenn zum Schutz anderer Arten erforderlich ist: So erlaube es der entsprechende Passus im Bundesnaturschutzgesetz. Und auch von Naturschutzverbänden kommt Unterstützung für die Abschussgenehmigung – die Uferschnepfe ist vom Aussterben bedroht.

Um ihren Hals geht es auch: Zur Rettung der Uferschnepfe sollen die Katzen bejagt werden. Foto: <a title=
Um ihren Hals geht es auch: Zur Rettung der Uferschnepfe sollen die Katzen bejagt werden.
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Die Empörung bei Katzenfreunden ist aber groß. Eine am Freitag gestartete Petition sammelte über das Wochenende bereits mehr als 5000 Unterschriften. Das Töten ist es, was die Katzenfreunde auf die Palme bringt. „Man kann nicht ein Tierleben schützen, indem man ein anderes vernichtet“, heißt es in der Petition, die einen Abschusstopp fordert. Können die Tiere denn nicht gefangen werden? Kritiker verweisen darauf, was vier Inseln weiter östlich passiert: Auf Langeoog haben Tierschützer Fallenfangkurse besucht, mit Spenden finanziert ist dort ein Projekt entstanden, um Katzen einzufangen und zu kastrieren und zu sterilisieren.

Viel zu scheu seien die Katzen, sagt dagegen Gundolf Reichert vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer der Ostfriesenzeitung zu den Borkumer Überlegungen. Und Borkums Umweltbeauftragter Jens Albrecht springt ihm bei: Die wildlebenden Katzen seien sehr aggressiv und nicht zähmbar, man könne sie nicht weitervermitteln wie Hauskatzen. Außerdem seien die Tierheime ohnehin schon restlos überfüllt. Albrecht betont zugleich: „Wir müssen unsere heimische Fauna schützen und bewahren.“

Zwar sind die Katzen auf Borkum fremde Eindringlinge, die Frage nach ihnen stellt sich aber auch andernorts: Ein renommierter Vogelschützer hatte deshalb in Deutschland eine Katzensteuer ins Gespräch gebracht. Peter Berthold, langjähriger Leiter der Vogelwarte am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell, hat das als „ökologische Ausgleichssteuer“ ins Gespräch gebracht, “Für das Aussterben von bisher 33 Vogelarten weltweit sind wesentlich Katzen verantwortlich„, so Peter, der sich auf eine
„Die Eingriffe von Katzen in die Tierwelt sind substanziell“, sagt der 74-Jährige, der sich auf eine US-Studie im Online-Journal „Nature Communications“ stützt. „Sie können in der Lage sein, beträchtliche Populationen ohne weiteres auszurotten. Jede vierte Katze in Deutschland sei verwildert, die Samtpfoten würden in Deutschland allein 50 Millionen Vögel pro Jahr erlegen.

Bei Borkums Uferschnepfen war den Katzen der schwarze Peter allerdings bisher noch nicht zweifelsfrei zuzuschieben. Bei brutbiologischen Freilanduntersuchungen im Rahmen des EU-geförderten Projekts “Wiesenvögel live„ wurden in der Dämmerung Igel mehrfach in Nähe der Nester gesichtet, Katzen aber nie. Es müsse dennoch “davon ausgegangen werden, dass auch sie eine erhebliche Gefährdung für den Brutbestand und den Bruterfolg von Uferschnepfen (...) darstellen. Die ‚Untersuchbarkeit‘ des Einflusses von Katzen (...) stellt sich zwar als schwierig dar, wird aber in den kommenden Jahren angegangen.„ Noch schneller wird aber der Igel- und Katzenbestand angegangen. Die Igel sollen eingefangen werden.

Die Katzen und Igel sind aber vielleicht nicht das einzige Problem. Bei einer zweitägigen Tagung “Vogelartenschutz im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer„ lautet ein Vortrag “Neue Prädatoren auf den Ostfriesischen Inseln: Was fressen Mäusebussarde?„

Update: Der Wissenschaftler, der den Vortrag zu Mäusebussarden halten wird, hat sich nach dem Artikel gemeldet. Mäusebussarde sind demnach für die Schnepfen kein Problem, so Felix Steinmeyer: “Die fressen dort lieber die zahlreichen Kaninchen."

Autor:
Lars Wienand
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