Berlin/Mainz

K/Ministerverteidigung für Guttenberg auf Facebook: Von 0 auf 50.000 in 36 Stunden

Daumen rauf für Karl Theodor zu Guttenberg: Bei Facebook ist eine Solidarisierungswelle losgeschwappt, wie sie das Internet in Deutschland noch nicht erlebt hat. Gründer des virtuellen Ministerverteidigungsbunds ist der Mainzer Tobias Huch.

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Berlin/Mainz – Daumen rauf für Karl Theodor zu Guttenberg: Bei Facebook ist eine Solidarisierungswelle losgeschwappt, wie sie das Internet in Deutschland noch nicht erlebt hat. Gründer des virtuellen Ministerverteidigungsbunds ist der Mainzer Tobias Huch.

Erst immer neue Plagiatsvorwürfe, dann Berichte, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags seitenweise zugeliefert hat für die Promotion von Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, dazu das GuttenPlag Wiki, das einlädt, bei der Dokumentation von Plagiaten mitzuhelfen: Unbeeindruckt oderangestachelt davon haben sich mehr als 50.000 Menschen der Seite „Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ angeschlossen. „Wann gab es das schon mal, dass sich in Deutschland in so kurzer Zweit so viele Menschen FÜR einen Politiker eingesetzt haben?“, überrascht der Erfolg auch Gruppenmitglieder in den Kommentaren.

Unter den Kommentaren auf der ProGuttenberg-Seite finden sich Erklärungsversuche: Die ungeheure Popularität Guttenbergs wird deutlich – aber auch etwas anderes: Verdrossenheit darüber, dass ein solches Thema stärker die öffentliche Diskussion bestimmt als „wirkliche Probleme“. Dazu Ärger über einen destruktiven Politikstil – Motto: Wer keine Chance hat, spielt foul. Und wenn „endlich“ mal wieder ein Politiker fähig und unangepasst auftrete, werde versucht, ihn kleinzuhalten. Dass diese Haltung durchaus in allen Lagern vertreten ist, muss auch die Grünen-Bundestagfraktion erfahren: Die steckte für ihre Idee, unter dem Motto „Gutt kopiert“ Guttenberg-Witze zu sammeln, mächtig Kritik ein. Am Samstag lieferten die Berichte zur Mitwirkung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags an der Promotion den Grund, die Aktion vorzeitig abzubrechen.

Der Hinweis auf die Guttenberg-Unterstützer-Seite hatte am Sonntag auch jemand in der Facebook-Gruppe verbreitet, die bislang als Musterbeispiel für Parteinahme durch die Bürger galt: „Noch ein Sympathieträger, der Unterstützung braucht“, stand auf der „Gauck for President“-Gruppe. Diese Gruppe hatte im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl für Aufsehen gesorgt – aber deutlich länger gebraucht, um es auf 38.000 Unterstützer zu bringen. Auch hier kamen Unterstützer erkennbar aus fast allen politischen Lagern. Und wie bei der Seite für den SPD- und Grünen-Kandidat Gauck, die der frühere Landesvorsitzende der Jungen Liberalen, der aus dem Hunsrück stammende Christoph Giesa gegründet hatte, steckt auch hinter der Seite für den CSU-Minister ein Liberaler aus Rheinland-Pfalz: Tobias Huch, Mainzer JuLi-Bezirksvorsitzender und schillernder Internet-Aktivist und Unternehmer. „Vorverurteilung und Hexenjagd gehören nicht in einen liberalen Geist“, erklärt er sein Engagement. Er hatte erwartet, einen Nerv zu treffen, als er am Freitagmorgen den Link zur Facebook-Seite erstmals verbreitete: „Ich mache seit einiger Zeit Medien- und PR-Beratung.“ Allerdings: „Ich habe mit viel gerechnet, aber nicht, dass die Seite so extrem einschlägt.“

Sein Erklärungsversuch für die breite Solidarisierung: Zu Guttenberg vereine ungeheure Popularität, „weil er cool rüberkommt“ auch mit alter und konservativer Ordnung durch den Adelstitel. „Das ist wie Nitriersäure und Glycerin – gemischt hochexplosiv: Nitroglycerin.“ Für den Politikberater Heiko Kretschmer würde zu Guttenberg gar zur Ikone, sollte er zurücktreten. Deshalb würden ihn die eigenen Leute nicht zurücktreten lassen, schreibt er in seinem „Strategieblog“.

Rücksprache hielt Huch nicht, als er die Seite gründete und den Twitteraccount „ProGuttenberg“ folgen ließ, der für weitere rasante Verbreitung sorgte. Nach eigenen Angaben kam aber am Sonntag kurz nach Mitternacht eine E-Mail aus dem Abgeordnetenbüro ein: „Man will sich informieren, wer hinter dieser Facebookseite steht. Verständlich!“ Huch geht nicht völlig unkritisch mit Guttenberg um: Der Vorwurf mit dem wissenschaftlichen Dienst nennt er „weit interessanter“ als alle anderen Vorwürfe vorher. Und: „Man wollte ihn mal stürzen sehen und das vielleicht auch zu recht. Zu Guttenberg hat auch viele einfach gereizt, da sein Auftreten als Show gesehen wurde.“ Er hoffe, das Guttenberg persönlich „sehr viel aus der Sache lernt und die letzten Jahre reflektiert. Er kann dann wirklich gestärkt und weiser aus der Sache hervorgehen.“ Für Huch ist aber keine Frage, dass „Guttenberg weiter eine wichtige politische Rolle spielt“.

Lars Wienand