Lügenpresse? AfD-Chefin Frauke Petry schreibt ihr Interview dreist um

Die Alternative für Deutschland (AfD) verunglimpft die Medien als Lügen- oder Pinocchiopresse – jetzt aber dokumentiert Partei-Chefin Frauke Petry (40) ein gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit: Sie hat im Interview mit unserer Zeitung eindeutig den Waffeneinsatz an der deutschen Grenze gefordert – als Ultima Ratio in der Flüchtlingskrise. Dann, als unsere Zeitung ihr das schriftlich fixierte Interview zur Autorisierung vorlegte, schrieb sie die entsprechende Passage komplett um.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Die AfD-Chefin sprach plötzlich nicht mehr vom „Einsatz der Waffe“, sondern von der Verantwortung der Grenzbeamten und dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“.

Petry sorgt mit ihrer Haltung zum Waffeneinsatz an der Grenze seit Tagen für Empörung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte die AfD eine „Schande für Deutschland“. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) forderte, Petrys Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte: „Die Rechtspopulisten entlarven sich als menschenverachtend und demokratiefeindlich.“

Die AfD-Chefin hatte am Samstag in einem Interview des „Mannheimer Morgen“ gefordert, Polizisten müssten illegale Grenzübertritte von Flüchtlingen verhindern, „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.“ Kein Polizist wolle auf einen Flüchtling schießen. „Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“

Später ruderte sie zurück. Auf ihrer Facebookseite erklärte sie: „Die AfD lehnt es strikt ab, dass auf Menschen geschossen wird, die friedlich Einlass in das Bundesgebiet begehren.“ Dem „Mannheimer Morgen“ warf sie vor, ihre Worte verkürzt und völlig sinnentstellt zu haben. Doch dessen Chefredakteur Dirk Lübke wies dies zurück: „Die perfide Tabu-Brecherin Petry stilisiert sich gerade zum kleinen, ahnungslosen Mädchen, das nicht wusste, was es gesagt hat.“ Die Politikerin habe das Interview vor dessen Veröffentlichung („jedes Wort und jeden Satz“) gelesen und freigegeben.

Auch unserer Zeitung sagte Petry vergangene Woche, dass sie den Waffeneinsatz an der Grenze für zulässig hält. Sie griff damit die Position ihres Lebenspartners und nordrhein-westfälischen AfD-Chefs Marcus Pretzell auf. Der hatte der Deutschen Presse-Agentur bereits im November gesagt: „Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit.“

Die Gesprächspassage als Tonaufnahme


Im Gespräch mit RZ-Chefredakteur Christian Lindner und Redakteur Hartmut Wagner stellte sich Petry voll hinter Pretzell. Auf die Frage „Ihr Partner, Herr Pretzell, hat gefordert, dass notfalls Grenzen auch mit der Waffe gesichert werden müssen. Was sagen Sie dazu?“ antwortete sie: „Das ist geltende deutsche Rechtslage.“ Nachfrage: „Also notfalls schießen?“ Antwort: „Als Ultima Ratio ist der Einsatz der Waffe zulässig. Das haben wir gerade schon besprochen. Es ist nichts, was sich irgendjemand von uns wünscht. Es müssten alle anderen Maßnahmen davor ausgeschöpft werden.“

Doch heute will Petry von ihrer Aussage nichts mehr wissen. Als unsere Zeitung ihr das niedergeschriebene Interview zur Autorisierung zuschickt, schreibt sie ihre Antwort einfach um. Auf die Nachfrage „Also notfalls schießen?“ antwortet sie nun: „Alle Beamten im Grenzdienst tragen eine große Verantwortung, kennen die Rechtslage und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“

Von unserem Redakteur Hartmut Wagner