Quedlinburg

Wieso Initiatiator bei Facebook Tankboykott für 1,3 Millionen Menschen absagt

Er hatte mehr als 1,3 Millionen Menschen mobilisiert – und hat dann die Veranstaltung abgesagt. „Es ist schlimm, dass man Konsequenzen zu fürchten hat, wenn man seine Meinung sagt“, meint Andy A, der bei Facebook den Termin „Am 01.03.12 in ganz Deutschland nicht Tanken!!!!!!“ angelegt hatte. Vor allem musste er erfahren, was es bedeuten kann, seine Daten nicht im Griff zu haben und plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen.

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Quedlinburg – Er hatte mehr als 1,3 Millionen Menschen mobilisiert – und hat dann die Veranstaltung abgesagt. „Es ist schlimm, dass man Konsequenzen zu fürchten hat, wenn man seine Meinung sagt“, meint Andy A, der bei Facebook den Termin „Am 01.03.12 in ganz Deutschland nicht Tanken!!!!!!“ angelegt hatte. Vor allem musste er erfahren, was es bedeuten kann, seine Daten nicht im Griff zu haben und plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen.

Andy A. aus Quedlinburg hätte auch Zacharias Z. aus Rosenheim sein können. Er ärgerte sich mächtig an der Tanksäule und trug bei Facebook den 1. März ein als Tag für einen Tankboykott. Andy A. traf einen Nerv. In Windeseile verbreitete sich der Termin, weil andere in ihrer Wut auf die Benzinpreise eifrig weitere einluden.

Doch dann war Andy A.s Auto plötzlich der Länge nach zerkratzt, jemand habe einen spitzen Gegenstand durch den Lack gezogen. Nur an seinem Auto. Ein Schaden von einigen Hundert Euro. Geld, für das er trotz hoher Spritpreise manchen Liter hätte tanken können. Jetzt bekam es Andy A. mit der Angst: „Ich sehe es als Vorstufe zu einem Angriff auf mich selbst, welchen ich vermeiden will“, schrieb er auf seiner Pinnwand. Für ihn steht fest, dass das zerkratzte Auto kein Zufall sein kann – und was dafür verantwortlich ist: Medienberichterstattung, in der er als Nazi hingestellt worden sei. Moderator Horst aus der Radio Hamburg Morningshow hatte sich öffentlich darüber gewundert, dass der Gruppengründer auch „Gefällt mir“ bei der „NPD“ und „Mein Kampf“ geklickt hatte.

Andere Medien griffen das auf – und Andy A.s Distanzierung, der erklärte, das in seiner „Sturm und Drang“-Zeit vor zwei Jahren geklickt zu haben, kam zu spät. „Ich habe damit wirklich nichts zu tun“, erklärt er. Zur Verteidigung führte er auch Serdar Somuncu an, der in Lesungen „Mein Kampf“ lächerlich macht, und den er für einen „der besten Entertainer Deutschlands“ hält. Andy A. hatte auch nicht nur „Mein Kampf“ „geliket“, sondern auch Morton Rhues Buch „Die Welle“, das eindringlich vorführt, wie und warum Menschen dem Faschismus erliegen. Über diese „Like“-Angaben hatte er sich wenig Gedanken gemacht – wie viele Nutzer, die da nie aufräumen. Und bei denen das auch kaum eine Rolle spielt – sollten sie nicht plötzlich Initiator einer Volksbewegung sein – oder zum Bewerbungsgespräch irgendwo sitzen.

Dem Moderator von Radio Hamburg hält Andy A. dessen eigenen Worte zur Gauck-Debatte vor: „Vielleicht sollten sich manche Twitterer mal besser informieren... Wo wir wieder bei der Frage sind, wie gefährlich Meinungsmache im Netz ist!“ Dem Moderator sagt er: “Sie haben mich an den Pranger gestellt, nur weil Sie zwei Dinge über mich gesehen haben, ohne mich genau zu kennen.„
Und der muss sich auf seiner Seite nun selbst mit Beschimpfungen auseinandersetzen. “Ich hoffe für den Initiator, dass er wirklich von der rechten Szene weg ist„, schreibt Host. Er stellt aber auch klar: “Ich habe niemals zur Gewalt gegen ihn aufgerufen. Ich habe lediglich gesagt, dass ich keiner Veranstaltung folge, die jemand ins Leben gerufen hat mit zweifelhaften Ansichten und womöglich Absichten!„

Unabhängig vom Fall des unglücksseligen Andy A. ist ein solcher Verdacht nicht ganz unberechtigt: Neonazis hatten in der Vergangenheit mehrfach bei Facebook großen Erfolg damit, mit populären und zunächst unverfänglichen Themen wie dem Kampf gegen Kindesmissbrauch viele Fans unter falscher Flagge zu scharen.

Andy A., den unsere Zeitung am Freitag im Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr erreicht hat, will sich aus den Benzinpreisprotesten nun völlig ausklinken und bei Facebook keinerlei Aktionen mehr starten. “Für mich hat sich das erledigt, ich werde mich nie wieder in so etwas reinhängen."

Er selbst hatte mit Überraschung und Freude reagiert, wie die Zahl der Zusagen in die Höhe geschnellt war – auf zuletzt 1.335.891 Millionen. Während einerseits eine Vielzahl von Nutzern den Protest an einem Tag als Schwachsinn abtut, versuchen andere nun, sich neu zu organisieren.

Lars Wienand