Die Bahn beginnt Dialog bei Twitter: „Es ist ein Kulturwandel“

Daniel Backhaus, Teamleiter Social Media Management bei der Deutschen Bahn.
Daniel Backhaus, Teamleiter Social Media Management bei der Deutschen Bahn. Foto: pr.

Die Deutsche Bahn startet ein Wagnis: An Mittwoch Morgen um 6 Uhr soll der neue Service beginnen. Ein eigenes Dialog-Team steht künftig über den Kurznachrichtendienst Twitter im Internet für Fragen von Fahrgästen zur Verfügung. Für die Rhein-Zeitung sprach unser Redakteur Marcus Schwarze mit Daniel Backhaus, Teamleiter Social Media Management bei der Bahn.

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Die Deutsche Bahn startet ein Wagnis: An Mittwoch Morgen um 6 Uhr soll der neue Service beginnen. Ein eigenes Dialog-Team steht künftig über den Kurznachrichtendienst Twitter im Internet für Fragen von Fahrgästen zur Verfügung. Für die Rhein-Zeitung sprach unser Redakteur Marcus Schwarze mit Daniel Backhaus, Teamleiter Social Media Management bei der Bahn.

Neun Monate Vorbereitung hat es gekostet, die Idee „Die Deutsche Bahn twittert“ umzusetzen. „Es ist ein Kulturwandel“, sagt Backhaus. Entstanden ist dabei in dem Konzern zunächst ein 120 Seiten starkes Handbuch. Darin ist an vielen Beispielen veranschaulicht, wie und was bei Twitter veröffentlicht werden darf, welche „Prozesse“ aufgrund einzelner Tweets von Lesern in dem Konzern in Gang gesetzt werden, und was nicht bei Twitter veröffentlicht wird. Eine Gruppe von zunächst acht, später bis zu 12 Mitarbeitern kümmert sich bei der Bahn künftig per Twitter um die Kunden. Mit dabei sind der Torsten und der Norman, Marlen, die Janice, Maik, Melanie, Jana und der Christian. So werden die acht Mitarbeiter selbst auf der Seite www.bahn.de/dbbahn vorgestellt: mit ihren Vornamen. „Bis auf zwei hatten die Kollegen bis vergangenen Mittwoch noch keinen Twitteraccount“, berichtet der Chef.

Empathie ist wichtig

Daniel Backhaus, selbst bei Twitter aktiv, hielt es für keine besonders wichtige Zugangsvoraussetzung, bei dem Internet-Dienst bereits Erfahrungen gesammelt zu haben. Wichtigeres Einstellungskriterium war dagegen „empathisches Talent“: die Fähigkeit, seine soziale Kompetenz im Lesen und Beantworten von Kurzmitteilungen einzubringen. Denn bei Twitter sind Fragen und Antworten stets auf 140 Zeichen begrenzt – ein Segen beim Lesen und zugleich Fluch beim Schreibversuch.

Die Twitterneulinge haben statt dessen aufwendige Schulungen hinter sich gebracht sowie fünf Testtage mit ausgewählten Otto-Normal-Surfern. Etiquette und Gebräuche beim Schreiben von Tweets haben sie gelernt, die Gebote der schriftlichen Höflichkeit, und auch eine besondere Arbeitsweise: Anfangs wird jeder Tweet per Vier-Augen-Prinzip überprüft. Dazu teilen sich die Mitarbeiter ihre Aufgabe ein: Einer ist „Sichter“, der die eintreffenden Tweets von Lesern aufnimmt, die anderen sind „Agents“, die sich im Detail um die Antwort kümmern. Ein dritter Mitarbeiter ist der „Empathisant“: Er soll sicherstellen, dass keine Ironie oder Sarkasmus in den Tweets der Bahn enthalten ist.

Erst nach einer gewissen Einarbeitung in die ironiefreie Twitterwelt à la Deutsche Bahn soll auf dieses Vier-Augen-Prinzip auch verzichtet werden dürfen. Vorbild ist dabei die Deutsche Telekom, die mit ihrem Twitterkonto telekom_hilft bereits seit Längerem aktiv ist.

Welche Fragen inhaltlich beantwortet werden, behält sich das Bahnteam ausdrücklich vor. Pünktlichkeits- und Verbindungsauskünfte sollen schon einmal nicht dazu gehören – stattdessen wollen die Social-Media-Experten dann auf das Internetportal m.bahn.de verweisen und die Navigator-App, die für Handys erhältlich ist und stets den aktuellen Stand von Bahnverbindungen und Verspätungen anzeigt.

Ebenso sind heikle Fragen zu den „Fahrgastrechten“ gegenüber der Bahn oder zum Bauprojekt Stuttgart 21 nicht inhaltlich zu beantworten, sondern gemäß Handbuch entweder mit einem Hinweis zu einem Formular im Internet oder zu einem besonderen Gesprächsforum. „Ziel ist aber: Wir wollen keinen Anfragenden abweisen“, erklärt Backhaus.

Fester Platz im Kommunikationsmix

Doch warum überhaupt Twitter? Facebook ist im Alltag der Menschen in Deutschland wesentlich stärker verbreitet. Doch hält auch Backhaus wie viele Experten daran fest, dass das Phänomen der Kurzmitteilung via Twitter seinen festen Platz im Kommunikationsmix haben wird, neben dem Telefon, der Mail und dem Fax: „Dieser Kanal wird nicht verschwinden“, sagt er. So sei es gut möglich, dass die Bahn künftig auch per Facebook einen weiteren Kanal öffnet.

Backhaus ist sich sicher, dass das Social-Media-Team an diesem Mittwoch und in den ersten Tagen des neuen Service von Nutzern überrannt wird. Viele dürften den Dienst zu Beginn testen wollen.

Doch was an jenen Tagen geschieht, wenn wie am vergangenen Sonntag bei mehreren Zügen die Klimaanlagen Probleme bereiten, ist noch nicht erprobt. In diesem Fall wäre das Twitterteam noch fein raus gewesen: Der Service arbeitet werktags von 6 bis 20 Uhr. Sonntags und Samstags hat das Twitterteam frei.
So hilft Ihnen der Dienst

  • Zunächst benötigt man ein Konto bei Twitter: Das kann man sich kostenlos unter http://twitter.com einrichten.
  • Anschließend wählt man Bekannte und Freunde aus, die bereits bei Twitter aktiv sind – zum Beispiel den Benutzer db_bahn, der unter twitter.com/db_bahn zu finden ist. Übrigens nicht zu verwechseln mit der Version ohne Unterstrich. Über das Feld „Folgen“ wird man zum „Follower“ (= Leser) der Veröffentlichungen des anderen.
  • Anschreiben kann man den Benutzer db_bahn, indem man „@db_bahn“ an den Satzanfang stellt. Sollte der Dienst persönlich antworten, bekommt man diese Antwort an besonderer Stelle auf der Twitter-Seite angzeigt, nämlich unter „Erwähnungen“.
  • Seine Faszination entwickelt Twitter, wenn man es auf dem Handy mit Hilfe besonderer Software nutzt. Statt der Webseite twitter.com empfiehlt sich häufig anderer Nutzungssoftware wie zum Beispiel Tweetdeck.

Von Marcus Schwarze