Mainz

Flic Flac: Vor jedem Auftritt heißt es „S bogam“ – „Mit Gott“

Sascha Cheban kennt Andrei schon, seitdem er fünf Jahre alt ist.
Sascha Cheban kennt Andrei schon, seitdem er fünf Jahre alt ist. Foto: Harry Braun

Die Vorstellungen beim Zirkus Flic Flac laufen weiter, doch nach dem schweren Sturz des nun querschnittsgelähmten Artisten Andrei Eremeev geht nichts seinen gewohnten Gang. Nicht nur der „fünfte Mann“ der Artistentruppe Bikers fehlt, sondern auch ein langjähriger Freund.

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Mainz – Auch wenn nach dem schweren Sturz des nun querschnittsgelähmten Artisten Andrei Eremeev beim Zirkus Flic Flac die Vorstellungen weiterlaufen, geht nichts seinen gewohnten Gang. Nicht nur der „fünfte Mann“ der Artistentruppe Bikers fehlt, sondern auch ein langjähriger Freund.

Von unserer Reporterin Giovanna Marasco


Zwei Wörter sind es, die sich die fünf Artisten des Zirkus Flic Flac zuraunen, bevor sie in die Manege treten: „S bogam“, sagen sie, „Mit Gott“. An jenem verhängnisvollen Mittwochabend im März sollte dieser Spruch jedoch ungehört bleiben. Andrei Eremeev stürzte beim spektakulärsten Trick, der Russischen Schaukel, sechseinhalb Meter in die Tiefe. Seine Karriere im Zirkus ist beendet.

Mainz ist nun die zweite Station nach der folgenreichen Vorstellung in Koblenz. Auf den ersten Blick geht das Leben im Zirkus seinen gewohnten Gang, die Leute ziehen von Ort zu Ort, bauen auf und wieder ab und begeistern ihr Publikum mit artistischen Künsten. Doch eigentlich ist nur für Außenstehende alles so, wie es scheint.

Innerhalb des Zirkus zeigt sich das Fehlen des fünften Turners, etwa bei der Planung des Programmes, auch wenn sich die Truppe bemüht, Andrei mit ebenso attraktiven Übungen irgendwie zu ersetzen: Denn jeder Artist hat ein bestimmtes Repertoire an Tricks, die in der Regel nur er selbst bis zur Perfektion beherrscht.

Mit Andrei lief es besser. Jetzt ist an seiner Stelle ein Loch...

Die Russische Schaukel aber, spektakulärstes und damit auch gefährlichstes aller Kunststücke, wird weiter gezeigt (RZ-Video vom Gastspiel in Koblenz). Andreis Kollegen nehmen im Wechsel seinen Platz ein, zeigen dann als Ersatz allerdings nicht seinen dreifachen Salto, sondern andere, schwierige Übungen. Aber: „Mit Andrei lief es besser. Jetzt ist an seiner Stelle ein Loch, er fehlt uns“, sagt Sascha Cheban, Kollege und Freund von Kindesbeinen an.

Die Jungs der moldawischen „Bikers“ hatten an jenem Abend schon während des Kunststückes gemerkt, dass etwas nicht stimmte. „Erst war alles wie immer“, erinnert sich der 24-jährige Sascha. „Aber dann, beim dritten Sprung – er hat sich einfach selbst in der Luft verloren“, sagt er und fixiert mit seinen hellblauen Augen einen unsichtbaren Punkt auf dem Tisch. Danach ging alles schnell – zu schnell für die Jungs, um reagieren zu können. Sascha blieb nur, die Schaukel, die er rhythmisch in Bewegung hielt, zu stoppen und dem Freund zur Hilfe zu eilen.

In ihrer Ausbildung zu Leistungsturnern, die sie mit fünf Jahren begannen, lernten die Bikers, wie man sich bei Sprüngen schützt und mit Verletzungen umgeht. Angst, diese irrationale Größe, begleitete die Artisten dennoch oft bei der Arbeit in schwindelerregenden Höhen: „Nur dumme Leute haben keine Angst. Aber man lernt mit der Zeit, mit ihr umzugehen.“

Als Sascha und der Rest der Truppe Andrei zum ersten Mal im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz besuchten, ihn verletzt in seinem Krankenbett liegen sahen, waren sie schockiert: „Es hat sehr wehgetan, ihn so zu sehen.“ Sooft es den Bikers möglich ist, treten sie die Reise nach Koblenz an. Die Kollegen vom Zirkus schenkten Andrei außerdem noch einen Laptop. Über Internettelefonie können die Turner nun miteinander sprechen und sich dabei sehen, egal wie weit die Distanz zwischen ihnen ist.

Spenden für Andrei Eremeev: Konto 102 548 807, BLZ 570 501 20, Sparkasse Koblenz.