Wichtiger Zeuge sagt ab
Wirecard-Prozess muss ohne Whistleblower auskommen
Markus Braun
Markus Braun
Sven Hoppe. DPA

Im Münchner Wirecard-Prozess wird der Zeuge fehlen, der als erster Informationen über mutmaßliche Scheingeschäfte an eine Londoner Zeitung lieferte - und damit das Ende des Konzerns einleitete.

Aktualisiert am 12. November 2024 16:49 Uhr

München (dpa) - Im Münchner Wirecard-Prozess wird der Whistleblower als Zeuge fehlen, dessen Informationen maßgeblich zum Kollaps des Dax-Konzerns im Sommer 2020 beitrugen. Der Singapurer Rechtsanwalt habe sehr kurzfristig seine für diesen Mittwoch vorgesehene Teilnahme abgesagt, teilte das Landgericht München I mit. 

Jurist entdeckte Manipulationen - Wirecard-Management reagierte nicht

Den Namen des Zeugen nannte das Gericht nicht. Doch es handelt sich um den Anwalt Pav Gill, der ehedem in dem südostasiatischen Inselstaat für die Wirecard-Rechtsabteilung tätig war. Der Jurist kam dort mutmaßlichen Scheingeschäften auf die Spur und meldete seinen Verdacht an die Konzernzentrale im Münchner Vorort Aschheim. Da das Wirecard-Management nach Gills Eindruck nichts unternahm, wandte er sich an Journalisten, Staatsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Die britische «Financial Times» veröffentlichte im Februar 2019 einen ersten Artikel, der auf Gills Informationen basierte, gefolgt von zahlreichen weiteren Enthüllungen. 

Angst um die Sicherheit?

Ein Grund für die Absage war nach Angaben der Pressestelle des Gerichts, dass der Zeuge besorgt um seine Sicherheit bei der Verhandlung gewesen sei - allerdings ist der unterirdische Gerichtssaal ein erst vor wenigen Jahren eröffneter Hochsicherheitsbau innerhalb der Mauern der JVA Stadelheim, dem größten bayerischen Gefängnis. Der Saal ist von keiner Seite aus für Außenstehende frei zugänglich. 

Ex-Vorstandschef Braun wäre erstmals auf den Whistleblower getroffen 

Damit wird der seit über vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende frühere Wirecard-Chef Markus Braun im Gerichtssaal nicht auf den Mann treffen, der den für den Untergang des Unternehmens entscheidenden Stein ins Rollen brachte. Die «Financial Times» hatte schon Jahre zuvor über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei dem deutschen Zahlungsdienstleister berichtet. Doch Gill war der erste Informant, der konkrete Informationen über die mutmaßlichen Scheingeschäfte und Bilanzmanipulationen an die Londoner Zeitung weitergab.

Justiz kann Auslandszeugen nicht zum Erscheinen zwingen

Da der Zeuge im Ausland wohnt, kann die deutsche Justiz ihn nicht zu einer Anreise zwingen. Ein Gerichtssprecher nannte die kurzfristige Absage unverständlich.

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