Wörrstadt

Profis berichteten über den richtigen Umgang mit den Medien

Beim "Talk in der Kirche" mit Kirsti Winzer, Mirko Drotschmann, Petra Gerster und Christian Nürnberger.
Beim "Talk in der Kirche" mit Kirsti Winzer, Mirko Drotschmann, Petra Gerster und Christian Nürnberger. Foto: Irmela Heß

„Talk in der Kirche“ – Podiumsdiskussion mit Petra Gerster, Christian Nürnberger und Mirko Drotschmann in der Laurentiuskirche.

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Eine heftige Diskussion gab es nicht beim „Talk in der Kirche“, aber Anregungen zum Weiterdenken und den Rat, stets eine kritische Haltung gegenüber Informationen einzunehmen. Wie informieren wir uns? Welchen Medien vertrauen wir? Welchen nicht? Was machen die Medieninformationen mit uns? Über diese Fragen wurde in der evangelischen Laurentiuskirche in Wörrstadt gesprochen und nachgedacht – von und mit den Medienprofis Petra Gerster, ihrem Mann Christian Nürnberger und dem Youtuber Mirko Drotschmann. Rund 100 Menschen kamen zu dem Abend, zu dem die Fachstellen im Dekanat Wöllstein unter Federführung der Fachstelle Bildung eingeladen hatten.

Das Thema treffe den Nerv der Zeit und gehe auch die Kirche an, sagte Pfarrerin Dr. Tanja Martin zur Begrüßung. Sie erzählte, dass früher die Gottesdienste manchmal mehrere Stunden gedauert hätten, weil dort – zu einer Zeit, als es noch keine Zeitungen und andere Medien gab – die Nachrichten verkündet wurden. Moderatorin Kirsti Winzer, Kirchenvorsteherin und Mitglied der AG Bildung im Dekanat, lud dann die drei Gäste ein, sich und ihre Meinung zum Thema vorzustellen, um danach miteinander zu „talken“.

Die „Zuckerberg“-Epoche beginnt

Christian Nürnberger (Jahrgang 1951) ist Journalist und Publizist. Er blickte zurück auf Johannes Gutenberg und seine epochemachende Erfindung der beweglichen Drucklettern. Durch die neuen Informationsmöglichkeiten habe sich vieles verändert, viele Menschen seien damals erstmal überfordert gewesen, hätten nicht alles verstanden. Nun gehe die Gutenberg-Epoche langsam zu Ende und die „Zuckerberg“-Epoche beginne – und wieder müssten die Menschen den Umgang mit neuen Medien lernen. Das Smartphone habe alles geschluckt: Briefe, Telefone, Terminkalender, Schreibmaschine. Dabei seien die Menschen prinzipiell sehr gut informiert, durch das Internet sei viel Wissen zugänglich geworden. „Ein Segen für die Demokratie!“ Aber so wie die Kehrseite des Buchdrucks war, dass auch Lügen und Beschimpfungen verbreitet wurden, so habe auch das Internet Nachteile und es bestehe die Gefahr der Desinformation. „Ein Fluch für die Demokratie!“ Dass so viele Falschmeldungen geglaubt würden, liegt laut Nürnberger auch in einem Mangel an Bildung begründet. Und es gebe eine Tendenz, dass auch wissenschaftlich überprüfbare Fakten in Zweifel gezogen würden.

Dass die „seriösen“ Medien nur Tatsachen und nachprüfbare Tatsachen berichten, betonte Petra Gerster (Jahrgang 1955), Journalistin und ZDF-Moderatorin, und sprach sich gegen eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sender aus. Sie erklärte, dass die Nachrichtenredaktion vor der Veröffentlichung alle Informationen kritisch durch verschiedene Quellen überprüfe. Die Meldungen etwa verschiedener Nachrichtenagenturen würden verglichen. „Wo sie voneinander abweichen, fragen wir nach.“ Die Zuschauer könnten sich darauf verlassen, dass die Fakten sachlich stimmen. Prinzipiell müsse jeder seinen Umgang mit Internet und Medien kritisch überprüfen, sowohl was man konsumiere als auch das, was man poste und teile. Und man solle sich klarmachen: Die Zeit, die man dem Handy widme, fehle einem etwa in der Partnerschaft oder der Familie.

Internet bietet viele Chancen

Mirko Drotschmann (Jahrgang 1986) ist „Mr. Wissen 2 go“. Seit sieben Jahren vermittelt er auf der Internetplattform Youtube jede Menge Wissen zu einzelnen Themen. Er begann damit, nachdem er seinem Schwager erfolgreich erklärt hatte, was der für seine Abiturprüfung in Geschichte wissen musste. Der gelernte Journalist ist überzeugt davon, dass man junge Menschen heute nicht mehr mit Büchern oder Fernsehsendungen erreicht und betreibt die Wissensvermittlung im Internet als zeitaufwendiges Hobby. Dass unter den Rückmeldungen auf seine Beiträge auch Beleidigungen sind, findet er anstrengend, aber aushaltbar. Falschen Informationen, die in Kommentaren auftauchen, begegne er mit Richtigstellungen und überprüfbaren Informationen. Dass Verschwörungstheorien etliche Anhänger finden, liegt seiner Ansicht nach daran, dass sie auch für komplexe Probleme einfache Lösungen in einem einfachen Weltbild bieten. Es gebe derzeit ein großes Misstrauen gegenüber dem Establishment, viele Menschen fühlten sich „abgehängt“. Da sei es wichtig, dass man sich in diese Menschen hineinversetzt und sie zu Wort kommen lässt. „Man muss die Lebenswelt der Menschen erreichen.“ Prinzipiell ist er der Meinung, dass das Internet viel mehr Chancen als Risiken biete, allerdings müsse der kritische Umgang, also etwa das Hinterfragen, wer hinter einer Botschaft steht, schon in der Schule gelernt werden.

Die Medienprofis waren sich einig, dass das Internet die Demokratie stärkt, sie aber auch gefährden kann. Drotschmanns Vergleich dazu: „Mit einem Messer kann man Brot schneiden, aber auch jemanden umbringen.“ Was die Zuhörenden mit nach Hause nehmen konnten, waren neben einigen für sie neuen Informationen auch die Mahnungen aller Medienprofis, kritisch mit Informationen und kritisch mit dem Internet umzugehen. Petra Gerster zitierte dazu Horaz: „Sapere aude!“ Und sie fügte die Übersetzung von Immanuel Kant hinzu: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“