Niederfell/Koblenz

Handicap und Alter spielten auf dem Meer keine Rolle

Foto: privat

Cusanus-Gymnasium und Herz-Jesu-Haus Kühr stechen gemeinsam in See. Für beide Seiten war es eine wertvolle Zeit auf dem niederländischen Wattenmeer.

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„Das war mein schönster Urlaub. Nächstes Jahr fahre ich wieder mit, gell“, freut sich Petra schon, eine Bewohnerin des Herz-Jesu-Hauses Kühr, eine Behinderteneinrichtung in Niederfell an der Mosel. Als eine Teilnehmerin von insgesamt elf Bewohnern, alle mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, hat sie zusammen mit ebenso vielen Schülern des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums Koblenz an einer Segelfreizeit auf dem niederländischen Wattenmeer teilgenommen, das sozusagen als Pilotprojekt in diesem Jahr zum ersten Mal durchgeführt wurde.

Am Mittwoch vor dem langen Fronleichnamswochenende machte sich die Gruppe von 15- bis 18-jährigen Schülern mit den beeinträchtigten Menschen im Alter von circa 30 bis 70 Jahren mit dem Zug auf von Koblenz nach Harlingen an die holländische Küste. Nach dreimal Umsteigen war es geschafft und alle gingen gut gelaunt und voller Spannung auf die kommenden Tage an Bord.

Einkaufen, erstes Abendessen, ein paar gemeinsame Spiele zum besseren Kennenlernen – danach konnte man am nächsten Morgen ausgeruht in See stechen. Jeden Abend in einem anderen Hafen, Route abhängig von Wind, Wetter und Gezeitenströmung, lernten alle Teilnehmer das Leben an Bord eines Segelschiffes kennen und schätzen, ebenso wie die Unwägbarkeiten der Natur draußen auf See. Ein Hauch von Freiheit und Abenteuer sozusagen, besonders auch für die Bewohner des Herz-Jesu-Hauses, die diese für sie einmaligen Erlebnisse abseits von Behindertenwerkstätten und -einrichtungen besonders genossen. Dabei konnten sie immer auf die Unterstützung der Jugendlichen des Cusanus-Gymnasiums zählen, die sich in wunderbarer Weise um vieles kümmerten, was für die Teilnehmer aus Kühr alleine nicht möglich gewesen wäre, angefangen beim Besteigen und Verlassen des Schiffes bis hin zu Hilfen beim Kochen, Hafenrundgänge, Knoten beim Segeln und so weiter.

Obwohl das Leben an Bord nicht gerade komfortabel ist, zeigte sich der besondere Charakter dieser Fahrt von Beginn an: kein einziges Klagen über widrige Umstände oder andere Konflikte trübten den Törn – im Gegenteil, alle brachten sich auf ihre Weise nach Kräften ein und trugen zu einem perfekten Gelingen bei. Spätestens bei den gemeinsamen Spielrunden nach den Abendessen stieg die Laune regelmäßig auf den Höhepunkt.

André Gilles, Lehrer am Cusanus-Gymnasium, der seit fast 20 Jahren Segelfreizeiten mit Schülern durchführt und Initiator dieses Projektes ist, zeigte sich sehr bewegt: „Auf Schülerfreizeiten, ob Segeln, Skifahren, Klettern oder anderen, habe ich sehr viele schöne Momente erlebt, aber die besonderern Momente habe ich mit Sicherheit hier in diesen vier Tagen gesehen. Behinderung, Altersunterschiede, das alles spielte keine Rolle und die vielen kleinen Erlebnisse im Miteinander waren beispiellos, anrührend – und so wertvoll.“ Aus schulischer Sicht ist er, nach einigen Bedenken bei der Planung, besonders auf die Schüler stolz, die dieses neue Inklusionskonzept so vorbildlich mitgetragen haben.

Auch Marita Noll-Trapp, Mitorganisatorin und Begleiterin von Seiten des Herz-Jesu-Hauses Kühr, ist begeistert von dem, was sie auf der Fahrt erlebt hat und wie sich die beeinträchtigten Menschen eingebracht und auch entwickelt haben. „Vieles von dem, was ich hier gesehen habe, hätte ich den Bewohnern in ihrem gewohnten Umfeld nie zugetraut. Es ist toll zu erleben, was gemeinsam mit anderen möglich ist, wenn die Freude und Motivation so hoch ist.“

Die Bewohner selbst danken es allen mit ihrer unmittelbaren Freude und ihrer spontanen Herzlichkeit, die man so „normalerweise“ nicht erlebt.

Selbst Jaap Gomes, der Kapitän der „Aegir“ ist angetan und genießt die Fahrt mit dieser etwas ungewöhnlichen Gruppe: „Das müsste viel normaler sein. Das sollte viel öfter gemacht werden“, ist er überzeugt. Zum Abschluss bekommt er von Hannelore, mit 72 Jahren die älteste Teilnehmerin des Herz-Jesu-Hauses am Sonntag ein Abschiedsgeschenk von der ganzen Crew überreicht: „Nimmst du mich nächste Jahr wieder mit? Hat so viel Spaß gemacht, war so schön hier mit den Schülern auf deine Schiff.“ Zu wünschen wäre es sicherlich allen.