Vallendar

Das Gemeinwohl als Leitfaden

Christian Felber war zu Gast an der PTHV.
Christian Felber war zu Gast an der PTHV. Foto: hilosophisch-Theologische Hochschule Vallendar

Workshop und Vortrag mit Christian Felber an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar.

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Neu denken. das ist die eine Seite der Medaille; in Unternehmen anders handeln – das ist die andere Seite. Um beides ging es beim Workshop-Nachmittag der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Koblenz/Mittelrhein am 6. September an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV). In drei Workshops beschäftigten sich circa 30 Teilnehmer mit Fragen der Nachhaltigkeit in der Zulieferkette, mit neuen Methoden demokratischer Meinungsbildung und mit der Zertifizierung eines Unternehmens nach der Matrix der Gemeinwohl-Ökonomie. Träger der Veranstaltung war das Institut für Wissenschaftliche Weiterbildung (IWW) der PTHV in Zusammenarbeit mit der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Koblenz-Mittelrhein, den Themenschwerpunkten Arbeit und Schöpfung der Katholischen Erwachsenenbildung, dem ISSO Institut, dem Mehr-Generationenhaus, dem Umweltnetzwerk Kirche Rhein-Mosel, dem Bund katholischer Unternehmer und dem Regioverein Koblenz.

Ralph Dejas, Geschäftsführer von ECOVIN, dem Bundesverband Ökologischer Weinbau berichtete über die Entwicklung einer umfassenden Biodiversitäts-Strategie seines Verbandes. Dabei gehe es nicht allein um die Vermeidung von Kunstdünger und naturfremden chemisch-synthetischen Substanzen im Weinberg, sondern vielmehr seien beispielsweise auch die konsequente Energieeinsparung im gesamten Betriebsablauf, die Wertschätzung und Ehrlichkeit gegenüber Lieferanten und Kunden und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Verbandsmitglieder wichtig. „Wenn ein Winzer auf diese Weise sein Unternehmen durchleuchtet, dann wird selbst die Frage, ob die Weinflasche einen Kronkorken oder einen Schraubverschluss erhält, nicht allein an ästhetischen oder preislichen Kriterien gemessen, sondern auch an der Umweltverträglichkeit dieser Alternativen“, erklärte Ralph Dejas. Aber nicht nur Agrar- oder Industriebetriebe können ihre Prozesse und Produkte ganzheitlich neu ausrichten, auch ein Dienstleister wie eine Anwaltskanzlei kann mit dem 360° Blick der Gemeinwohl-Matrix zu einem nachhaltigen Unternehmen weiterentwickelt werden.

Dies zeigte Rechtsanwalt Kristian Hörstel aus Bendorf anhand der Erfahrungen mit der Auditierung seiner Kanzlei nach den Richtlinien der Gemeinwohl-Ökonomie auf. Es gebe Fragen, die in einer Gruppe, einem Betrieb oder einer Kommune nicht leicht zu entscheiden seien. Und wenn sie nach dem Mehrheitsprinzip entschieden werden, lassen sie oft „Verlierer“ und „Frustrierte“ zurück. Mit der Methode des „Systemischen Konsensierens“ stehe nun eine Alternative zur Verfügung. Dabei werde nicht mehr nach Zustimmung oder Ablehnung gefragt, sondern nach dem Grad des Widerstandes, den Personen gegenüber unterschiedlichen Lösungsvorschlägen zeigten.

Damit entstünden ganz neue Konfliktlösungsmöglichkeiten – das zeigten die praktischen Übungen mit der Moderatorin Anne Berg aus Bonn. Der auf diese Weise entstandene Konsens nimmt die Beteiligten mit auf den Weg zu einer Lösung, die vom größten Teil der Gruppe mitgetragen werden kann. Aber auch die, die ursprünglich einen anderen Weg gehen wollten, erfahren, dass ihre Argumente ernst genommen und in die Lösung mit hineingenommen werden.

Mit vielen Anregungen, wie Wirtschaft nicht nur neu gedacht werden kann sondern auch praktisch gestaltet werden kann, verließen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Workshop. Für viele schloss sich der Besuch des Vortrags von Christian Felber „Gemeinwohl-Ökonomie- Wirtschaft neu denken“ an. Christian Felber, der Mitbegründer der Gemeinwohl-Ökonomie und ihr unermüdlicher Promotor, erläuterte in der Aula der PTHV, welche Reformen in Wirtschaft und Politik nötig seien, damit dem Verfassungsauftrag entsprochen werde. In der rheinland-pfälzischen Verfassung heißt es immerhin: „Jeder Staatsbürger hat … seine körperlichen und geistigen Kräfte so zu betätigen, wie es dem Gemeinwohl entspricht.“ Dass man in konsequenter Verfolgung dieses Verfassungsauftrages zu einer neuen Form des Wirtschaftens und der politischen Entscheidungsfindung kommen könnte, zeigte der Referent mit guten Argumenten auf.