Man muss sich auch selbst pflegen

Dunja Kleis wurde 1967 in Neuerburg/Eifel geboren, ist verheiratet, kinderlos. Die diplomierte Volkswirtin ist seit September 2013  Landesgeschäftsführerin der  Barmer GEK in Rheinland-Pfalz  und im Saarland.  Foto: Ditscher
Dunja Kleis wurde 1967 in Neuerburg/Eifel geboren, ist verheiratet, kinderlos. Die diplomierte Volkswirtin ist seit September 2013 Landesgeschäftsführerin der Barmer GEK in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Foto: Ditscher

„Ich habe in meiner Jugend und während des Studiums meine pflegebedürftige, demenzkranke Oma über einen Zeitraum von zehn Jahren erlebt. Die damalige Zeit hat mich sehr geprägt, auch wenn ich selbst nicht die Verantwortung für die Pflege getragen habe. Das haben meine Eltern und die Geschwister meines Vaters getan. Aber ich habe es hautnah mitbekommen, weil meine Großmutter anfangs in der Nachbarschaft, dann bei uns in einem Eifeldorf nah Neuerburg im Eifelkreis Bitburg-Prüm mitgelebt hat.

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Die Leistungen der Pflegeversicherung haben sich damals anders als heute allerdings allein auf den körperlichen Pflegebedarf wie Waschen oder Anziehen bezogen. Doch mit fortschreitender Demenz wurde der Betreuungsaufwand natürlich immer intensiver. Wir konnten sie nicht mehr allein lassen, weil sie sich nicht mehr orientieren konnte. Es war eine sehr schwierige Situation.

Inwiefern das schwierig war? Auch sie wollte in ihrem vertrauten häuslichen Umfeld bleiben. Die Familie wollte ihr das auch ermöglichen. Doch es wurde immer aufwendiger und schwieriger, das zu organisieren, weil alle ihre eigenen Familien hatten und berufstätig waren. Deshalb haben wir die Pflege im Familienrat organisiert und haben dabei natürlich einen ambulanten Pflegedienst und Betreuungsleistungen in Anspruch genommen.

Der Oma die Windeln gewechselt

Ich habe die Pflege später an Wochenenden übernommen und fand das sehr belastend. Das war doch meine Oma, die mir früher die Butterbrote geschmiert hat. Und jetzt musste ich ihre Windeln wechseln. Das war auch eine psychische Belastung, weil ein dementer Mensch seine Persönlichkeit völlig verändert. Irgendwann hat sie uns nicht mehr erkannt. Der Bezug geht verloren.

Deshalb finde ich die neue Einteilung in fünf Pflegegrade sehr gut, bei denen auch Demenzerkrankungen berücksichtigt werden und Betreuungsangebote stärker gefördert werden.

Wie meine Familie und ich die Pflege meiner Oma damals erlebt haben? Als sehr belastend. Wir waren eine Großfamilie in der Eifel, die es heute kaum noch gibt. Selbst damals kamen wir nicht ohne Spannungen aus. Wie in der gesamten Gesellschaft bis heute blieb auch bei uns damals die Pflege sehr an den Frauen hängen. Die Männer haben sich bei der Antragstellung und der Organisation engagiert.

Deshalb ist das Angebot einer psychologischen Unterstützung der Angehörigen neben der Hilfe bei der Organisation der Pflege sehr wichtig. Man muss sich auch mit sich selbst und seiner eigenen Situation beschäftigen. Und man muss eben kein schlechtes Gewissen haben, wenn man mal Verantwortung abgibt. Man muss sich auch selbst pflegen, sich selbst Freiräume einrichten, damit man mit den Spannungen, die aufkommen, umgehen kann.“