„Alte Rebe“ in Remagen: Verhaltener Sommer, aber neue Blüte

Foto: Mieding

Unsere Gastro-Expertin Nicole Mieding hat am Rhein ein zartes lila Pflänzchen ausgemacht.

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Wenn bei einem Restaurant mehrfach Betreiber und Name wechseln, bleiben irgendwann die Gäste weg. Denn die wissen in der Regel ganz gern, worauf sie sich einlassen und wer sie erwartet. Umso erfreulicher, dass an einem Dienstagabend gleich ein gutes Dutzend den Weg in die „Alte Rebe“ findet. Das Traditionshaus (ehemals „Weinhaus Grüner Kranz“) in zentraler Lage am Marktplatz von Remagen hatte in den vergangenen Jahren gefühlt mehr zu als auf. Nun hat sich das Gastronomenpaar Tanja Wolff und Michael Kröner ein Herz gefasst und arbeitet seit Februar an dessen Wiederbelebung.

Ambiente:

Foto: Mieding

„Bisschen viel Violett“, denkt man beim Betreten der „Alten Rebe“. Stühle, Serviette, Kerzen, Wände: alles lila. Die neuen Betreiber haben ein Farbkonzept, und das ist von den Balkonkästen bis zum Toilettenmülleimer konsequent umgesetzt. Auch die Gastgeberin trägt, natürlich, Violett. Die Frage nach der Lieblingsfarbe erübrigt sich. Zum Glück ist sie so nett, dass man darüber diese veilchenfliederpinkmagentaviolettrosafarbene Umgebung glatt vergisst.

Foto: Mieding

Essen:

Wir suchen schließlich keine Einrichtungstipps, sondern sind zum Essen hier. Da bietet die Abendkarte eine hübsche Auswahl: Filet vom Simmentaler Rind, geschmorte Kalbsbrust mit Pfifferlingen, für Vegetarier gibt's ein Thai-Curry. Unsere Wahl fällt auf den Norwegischen Fjordlachs und die Maispoularde. Vorab gibt's einen Sommersalat mit Kräutersaitlingen und Pfirsich sowie eine Currysuppe mit geschmortem Apfel. Dieser erste Gang ist eine Überraschung, denn hier wurde keine Kartoffelsuppe mit Kurkuma auf Asiatisch getrimmt. An den Tisch kommt eine Suppe auf der Basis von Brühe und Currypaste. Zur schönen Thai-Schärfe aus Chili, Ingwer, Knoblauch und Galanga passt fabelhaft die Süße des aromatischen Apfels, der sich in Form glasig gebratener Miniwürfelchen haufenweise vom Terrinenboden schaufeln lässt. Trotz Andicken durch Sahne oder Kokosmilch fällt das Entrée also nicht zu mächtig aus, sondern macht Lust auf mehr, ganz wie's sein soll. Der Salat verdient sich sein saisonales Attribut durch pochierte Pfirsichspalten, die optisch schwer von den gebratenen Pilzen zu unterscheiden sind. Das Dressing hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Im Punkt Vielfalt (Rotes Eichblatt, Radieschen, Rote Kresse und der unausrottbare Eisbergsalat) zeigt sich der Sommer auf dem Teller eher wie der draußen: verhalten. Die Maispoularde hat diese schöne Jahreszeit nicht mehr erlebt und ihre letzte Ruhe auf einem Bett von Marktgemüse gefunden: Kaiserschoten, Brokkoli, Wirsing, Möhren, getragen von einem Schwarm Schmetterlingsnudeln. Der Sättigungsbeilage fehlt etwas Biss, der angeschwipste dunkle Bratenfond muss von einem dritten Tier stammen. Die Poulardenbrust am Knochen schmeckt und ist gerade noch nicht trocken. Auch der dicken Lachsschnitte blieb dieses häufige Schicksal erspart. Sie ist nicht mehr glasig, aber gut gegart, durch die schlecht geputzte Unterseite schmeckt sie leider leicht tranig. Die zwitterhafte Hauptbeilage Risoni – Winznudeln in Reiskornform – ist übergart und kann getrost mit dem Eisbergsalat auf die Liste bedrohter Arten. Sie badet zusammen mit knackigen Kaiserschoten in einer Weißweinsahnesoße mit angenehmer Zitronengrasnote. Hungrig kann da keiner bleiben, aber es gibt noch Dessert. Die Bayerische Creme kommt klassisch mit einer fein dosierten Kirschwassernote daher. Zu ihrer Seite gesellt sich ein Erdbeer-Rhabarber-Ragout: fruchtig-frisch, ein gekonnter Dialog aus Süße und Säure und dabei kein bisschen stumpf. Das Holunderparfait ruft noch einmal laut Sommer: Das Parfait, im Aroma eher dezent, die Konsistenz einen Hauch kristallin, wird nicht wie beschrieben von Roter Grütze begleitet, sondern von einem Potpourri aus marinierten frischen Beeren. Holunder-, Brom-, Blau-, Erd- und Stachelbeere – ein saisonales Allerlei an Strauchfrüchten in Purpur und, ja, Lila.

Service:

Gastgeberin Tanja Wolff ist aufmerksam, die Chefin schenkt nach. Lässt den bestellten Wein erst einmal vorkosten und nimmt sich Zeit für einen kleinen, unaufdringlichen Plausch. Aufs anstehende Essen stimmt sie mit einem kleinen Gruß aus der Küche, einem Auflaufförmchen mit Couscoussalat, ein. Keine Frage, die Frau hat ihr Handwerk gelernt und will das auch zeigen.

Preis-Leistung:

Hauptgänge von 13 (vegetarisch) bis 32 Euro, Vorspeisen kosten zwischen 7 und 12,50 Euro. Wer es bis zum Dessert schafft, legt noch einmal 7 oder 8 Euro drauf. Der kulinarische Ehrgeiz von Tanja Wolff und Michael Kröner schlägt sich auch auf die Preise nieder. Die beiden haben sich ihren Anspruch acht Jahre lang in der Düsseldorfer Zwei-Sterne-Gastronomie (dem renommierten „Hummerstübchen“) antrainiert. Im Genießerhimmel sind die Junggastronomen mit ihrem eigenen Restaurant noch nicht angekommen. Die Preise sind entsprechend ambitioniert, aber nicht astronomisch.

Fazit:

Mit dem Neuzugang am Markt hat Remagen endlich wieder ein Restaurant, das sich zu Recht „erstes Haus am Platz“ nennen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass die Betreiber den Willen zur Weiterentwicklung und einen längeren Atem als ihre Vorgänger haben.

Adresse:

Alte Rebe

Kirchstraße 4

53424 Remagen

Tel. 02642/902 92 69

E-Mail info@alte-rebe-remagen.de

www.alte-rebe-remagen.de

Küche geöffnet Mi-So 11.30 bis 14 Uhr (Mittagskarte), Di-So 17.30 bis 21.30 Uhr (Abendkarte)