Frankfurt

Zum Fest läuft’s verkehrsberuhigt

Von Protz und Schampus ist im Rotllichtviertel wenig zu sehen. Zum Fest der Liebe herrscht im Tempel der Liebe Flaute.

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Frankfurt – An anderen Abenden stehen die Freier Schlange. Doch zur Weihnachtszeit kehrt auch im Puff Besinnung ein. Wenn sich die Familien Heiligabend an den Gabentisch setzen, läuft der Sex-Betrieb im Rotlicht-Milieu in Frankfurt auf Sparflamme.

Natascha wartet vor ihrem Zimmer im Bordell auf der Niddastraße auf Kundschaft. „Eigentlich wollte ich meine Eltern in Estland besuchen. Ist ja eh nichts los. Aber dieses Jahr reicht mein Geld nicht“, sagt die 26-Jährige. Gelangweilt sitzt sie auf einem Barhocker und liest in einem Modemagazin. Der Gang ist mit Schwarzlicht beleuchtet. BH und Höschen leuchten knallig-weiß. Natascha lebt seit drei Jahren in Frankfurt. Zuerst hat sie ihr Geld als Tänzerin in einem Nachtclub verdient. Dann wechselte sie ins horizontale Gewerbe. Skrupel, ihren Körper zu verkaufen, hat sie keine. „Ist besser, als putzen zu gehen. Und einen anderen Job würde ich eh nicht finden.“ Doch auch so bleibt ihr nicht viel von ihrem Verdienst: 110 Euro muss sie täglich für das spärlich eingerichtete Zimmer bezahlen. Plus 20 Euro für Essen, Erfrischungsgetränke und Papiertücher. Zeit mit Natascha kostet zwischen 20 und 120 Euro. „Je nach Aufwand.“ Wie viel sie insgesamt verdient, will sie nicht sagen.

„Viel wird es nicht sein. Für manche Frauen sind 500 Euro Gewinn pro Woche viel Geld“, sagt Georg B., 69 Jahre und Besitzer von drei Bordellen in Frankfurts sagenumwobenen Rotlichtviertel. Die Frauen kennt er schon lange nicht mehr persönlich. „Ich bin nur Vermieter – und Zuhälter gibt es nicht mehr in diesen Häusern“, sagt er.

Gäste empfängt er in einem nüchternen Büro in der Kaiserstraße. An der Wand hängen Fotos von Sohn und Tochter. Auf dem Schreibtisch Abrechnungen und eine Steuererklärung. Auf dem Tisch steht Mineralwasser. Champagner sucht man vergebens. Luxus und Glitzer ist in der Frankfurter Rotlicht-Szene selten geworden. Die Zeiten, in denen ständig gefeiert wurde, seien vorbei, sagt die Milieu-Größe. Es kämen keine Freier mehr ins Bordell, die mehrere Hundert Euro auf den Tisch legen, um mit den Frauen nicht nur zu schlafen, sondern Party zu machen. „Ich schließe mein Büro abends um acht zu und fahre nach Hause.“ Dabei müsste der 69-jährige gebürtige Frankfurter gar nicht mehr arbeiten. „Aber einfach aufhören geht ja auch nicht. Wer soll sich denn ums Geschäft kümmern.“ Ob seine Kinder, die Privatschulen besuchen, einmal die Bordelle übernehmen sollen, kann er nicht sagen.

Puff-Besitzer sei er eher durch Zufall geworden. Dabei hat Georg B. mal einen anständigen Beruf gelernt: Schuhverkäufer und Großhandelskaufmann. Doch das Geld war knapp. „Ich brauchte ein Auto und einen Führerschein. Also habe ich mit einem Kumpel Falschgeld gemacht.“ Nach ein paar Partys flog die Sache auf – für zwei Jahre musste der damals 18-Jährige, der ohne Mutter groß geworden ist, ins Gefängnis. Nach dem Knast versuchte er es als Pepsi-Verkäufer für die Frankfurter Gastronomie. Schließlich wurde er Junior-Vertreter bei Martini. Dann bekam er ein interessanteres Angebot bei einer durchfeierten Nacht in der „Letzten Instanz“. In dem Edel-Bordell am Gericht lernte er eine junge Schönheit aus Wetzlar kennen. Sie bat ihn zu bleiben: „Leben kannst du von mir.“

„Das hat sich gut angehört. Also bin ich Zuhälter geworden.“ 18 Monate Gefängnis drohten damals für diese Art von Broterwerb. Für Georg B. brachen glänzende Zeiten an. Die gesamten Einnahmen seines Schützlings landeten in seiner Tasche. „Ich passte dafür auf sie auf.“ Wenn es Streitereien gab, sei er eingeschritten.

Nach einer Weile hatte der Frankfurter eine ganze Reihe von Frauen, die für ihn anschaffen gingen. Nicht alles Geld floss in das schöne Leben – nach einigen Jahren pachtete Georg B. ein Hotel in der Elbestraße und eröffnete einen Puff. Im Bahnhofsviertel war gerade die Toleranzzone geschaffen worden. Schließlich kaufte er die Häuser, in denen heute Prostituierte ihrem Geschäft nachgehen.

Im Rückblick auf sein Leben, sagt er: „Ich würde es wieder so machen. War eine schöne Zeit.“ Höflich verabschiedet sich der 69-Jährige. Nachher will er noch zum Flughafen. Weihnachten und die Wintertage wird er mit seiner Familie in Indonesien verbringen. Bastian Klein