Werben fürs Welterbe

Der Weinkeller des Oberweseler Winzers Goswin Lambrich wird zum Fotostudio: Mittelrheinweinkönigin 
Sarah Hulten wird dort für die Kampagne „Ich bin Welterbe“ fotografiert.<br />Foto: Michael Defrancesco
Der Weinkeller des Oberweseler Winzers Goswin Lambrich wird zum Fotostudio: Mittelrheinweinkönigin 
Sarah Hulten wird dort für die Kampagne „Ich bin Welterbe“ fotografiert.
Foto: Michael Defrancesco

In Kürze werden überall im Mittelrheintal riesige Plakate hängen. Verschiedene bekannte Persönlichkeiten tragen darauf Schilder, auf denen zu lesen ist: „Ich bin Welterbe“. Das Ziel der Kampagne: Die Einheimischen sollen sich 
stärker mit ihrer Heimat und „ihrem Welterbe“ 
identifizieren. Wir waren dabei, als Mittelrheinweinkönigin Sarah Hulten für die Kampagne fotografiert wurde.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von unserem Journalchef Michael Defrancesco

Der Wein spielt im Weinkeller von Winzer Goswin Lambrich heute nicht die Hauptrolle. Große Strahler sind aufgebaut und beleuchten den urigen Keller des Oberweseler Winzers mit sanftem, indirektem Licht. Dekoration wird aufgebaut. Ein Weinfass zum Beispiel. Auf Stativen stehen Fotoapparate bereit, Dutzende Kabel liegen am Boden.

Es wird geshootet – so nennt man das heutzutage. Das klingt professioneller als: „Wir machen Fotos für die neue Welterbe-Kampagne.“ Gemeint ist aber dasselbe. Vier bekannte Mittelrheiner werden in diesem Sommer von überlebensgroßen Plakaten die Menschen anlächeln: Ute Graßmann aus Dörscheid, Gästeführerin und Naturschützerin, Werner Treichel aus Boppard, Thonet-Experte und Gästeführer, sowie Maresa Nieten und Susanne Breuer aus Rüdesheim, Hoteliers und Gastronomen. Und: Mittelrheinweinkönigin Sarah Hulten. Sie werden ein Schild in der Hand halten und bekennen: „Ich bin Welterbe.“

Das will auch Sarah Hulten sagen: „Ich bin Welterbe.“ Gut, eigentlich ist nicht sie persönlich das Welterbe, auch nicht die anderen Kollegen. Aber wenn man heutzutage „Ich bin Welterbe“ sagt, dann meint man: „Ich bekenne mich zum Welterbe. Ich stehe zum Welterbe.“

„Uns ist es wichtig, dass sich die Menschen mit dem Mittelrheintal und damit dem Unesco-Welterbe identifizieren“, sagt Nico Melchior vom Zweckverband Welterbe. 2014 kam die Idee auf – nicht zuletzt auch ausgelöst durch die Seilbahndiskussion in Koblenz. Die Unesco hatte damit gedroht, den Welterbestatus des Mittelrheintals wieder abzuerkennen, wenn Koblenz die Buga-Seilbahn nicht abbauen würde. Und nicht wenige Mittelrheiner hatten mit den Schultern gezuckt und gesagt: „Sollen sie doch.“

Natürlich: Auch der Zweckverband Welterbe möchte sich Neuerungen nicht in den Weg stellen. Und – natürlich: Die Unesco darf das Mittelrheintal nicht zum Nichtstun verdammen. Aber ein stärkeres Wirgefühl würde im Mittelrheintal auch nicht schaden, da sind die Mitarbeiter des Zweckverbands sicher.

Die Kampagne „Ich bin Welterbe“ soll daher weniger die Touristen begeistern, sie richtet sich vielmehr an die Einheimischen. Sie sollen stolz auf ihr Mittelrheintal sein und sich zum Welterbe bekennen.

Das Kleid sitzt, die Frisur ist elegant: Vor dem Shooting wird Sarah Hulten professionell gestylt.
Das Kleid sitzt, die Frisur ist elegant: Vor dem Shooting wird Sarah Hulten professionell gestylt.
Foto: Michael Defrancesco

Sarah Hulten sitzt derzeit noch hinter den Kulissen und wird „behandelt“. Ihre Frisur wird gelockt, gekämmt, geföhnt. Die Mittelrheinweinkönigin trägt ein elegantes Glitzerkleid und einen edlen Blazer. Auch wenn die 24-Jährige derzeit wegen des Studiums in Düsseldorf lebt, so ist sie doch mit Leib und Seele Koblenzerin und Mittelrheinerin, wie sie sagt.

Dabei ist der jungen Frau die Verbindung von Tradition und Moderne wichtig. „Die Rheinromantik ist schön und gut, aber man darf sich nicht einfach auf die schöne Natur und die Burgen verlassen“, sagt Sarah Hulten. „Vieles stagniert bei uns im Mittelrheintal, aber es gibt glücklicherweise auch Menschen, die versuchen, daraus auszubrechen und trotzdem am Mittelrhein zu bleiben.“ Deshalb unterstützt sie die Kampagne des Zweckverbandes. „Ich finde es großartig, dass viele Mittelrheiner bereit sind, sich einzusetzen, um das Welterbe, eben wie es mir selbst so wichtig ist, nachhaltig zu entwickeln.“

Nico Melchior nickt. „Wir müssen auch die positiven Geschichten am Mittelrhein erzählen“, sagt er. „Wir leben hier, es ist unsere Heimat. Wir können stolz auf unsere Historie und auf unsere Landschaft sein, auf die Menschen, die hier leben.“ Die Kampagne soll die Einheimischen auch mobilisieren, ihre Heimat wieder neu zu entdecken, hier eine Schiffstour zu machen, mit der Fähre zu fahren, lecker essen zu gehen, die Weine auszuprobieren, eine Burg zu besichtigen oder zu wandern.

Fotografin Barbara Melzer hat mit ihrem Team alles vorbereitet. Die Mittelrheinweinkönigin kann kommen. Sie wird für ein erstes Probeshooting vor dem großen Weinfass platziert und hält das Welterbeschild in der Hand. Zwei, drei Aufnahmen – und schon ist die Fotografin begeistert. „Sie haben Erfahrung, richtig?“ Sarah Hulten schmunzelt und erzählt, dass sie tatsächlich schon das ein oder andere Shooting hinter sich hat. Für die zweite Fotorunde setzt sich die Königin aufs Weinfass wie auf einen Thron. Mal lächelt sie in die Kamera, mal blickt sie freundlich, mal etwas ernster, mal lacht sie ausgelassen – das Team versammelt sich immer wieder um den Laptop herum und begutachtet die neuen Aufnahmen. Stimmt das Licht, stimmt der Gesichtsausdruck, stimmt die Bildschärfe?

Ein Termin, den die Mittelrheinweinkönigin ehrenamtlich wahrnimmt – wie all ihre Termine, die sie in diesem Jahr absolviert. Die Liebe zum Mittelrheintal ist es ihr wert. „Weinberge, Felsen und Burgen – hier ist es wunderbar romantisch. Das alles nicht nur zu bewahren, sondern auch nachhaltig zu entwickeln, darum geht es“, betont sie. „Darum geht es auch den Winzern: Sie setzen sich für den Erhalt der Steillagen ein und helfen gleichzeitig, die Kulturlandschaft zu entwickeln.“ Wie sie das tun? „Indem sie Tradition und modernste Technik miteinander verbinden. Gelebte Geschichte und lebendige Gegenwart – das ist mein Welterbe“, so definiert es Sarah Hulten, und so wird es auch auf den Plakaten stehen, die in Kürze überall am Mittelrhein zu sehen sind.

Alles ist im Kasten. Sarah Hulten zieht die Krone aus und schlüpft wieder in ihre Alltagsklamotten. Die Lichter verlöschen. Wenige Minuten später sieht der Weinkeller wieder aus wie immer.