Von der Rütli-Schule lernen

Von Rena Lehmann

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Vor fünf Jahren blickte das ganze Land nach Neukölln. Bilder von Schülern, die Schulmobiliar aus den Fenstern warfen, ließen brave Bürger in ihren Fernsehsesseln zusammenzucken. Doch anschließend lehnte man sich wohlig zurück: Neukölln, dieser ohnehin berüchtigte Berliner Stadtteil, schien weit weg. Aber der Hilferuf der dortigen Lehrerschaft wirkte nachhaltig. „Rütli“, wenn auch in mancherorts abgeschwächter Form, gab es auch anderswo. Der Brief aus Neukölln war nur der Anstoß für eine längst überfällige Debatte über die Zukunft der Kinder aus bildungsfernen Familien. Und Rütli kann heute der Anstoß sein für neue Wege in der Schulpolitik in Hamburg, Mainz und München.

Was an der Rütli-Schule gelingt, ist ermutigend: Die Pädagogen dort haben innerhalb von fünf Jahren erreicht, dass ihre Abbrecherquote verschwindend gering ist. Im Modell der Gemeinschaftsschule, wo der Hauptschulabschluss, aber auch das Abitur am Ende einer jeden Schullaufbahn stehen kann, wird jedem Schüler vermittelt, dass ihm alle Wege offen stehen. Jedes Jahr sind es dort mehr Schüler, die sich aufmachen, den höchsten Bildungsabschluss zu erreichen. Solche Erfolge sind nicht innerhalb von Monaten zu erreichen. Aber sie sind auch keine Fantasievorstellungen bildungspolitischer Traumtänzer.

Sie sind das Ergebnis der konzertierten Anstrengung von Politikern und Pädagogen, der die grundlegende Überzeugung vorausging, dass kein Kind verloren gehen darf. Das klingt wie eine Worthülse. Ernst genommen, bedeutet sie aber, mit aller Konsequenz zu fördern und zu fordern, Eltern wie Schüler. Das ist eine ungeheure Kraftanstrengung, jeden Tag aufs Neue, auch noch an der Rütli-Modellschule. Doch der Lohn für die Mühen ist ein ungleich höherer.

E-Mail an: rena.lehmann@rhein-zeitung.net