Berlin/Mainz

Streit um Koran-Aktion eskaliert – Verteilung gestartet

Deutschsprachige Koran-Ausgabe
Eine deutschsprachige Ausgabe des Koran und weitere religiöse Schriften. Foto: Peer Grimm/Archiv

Am Samstag wollen Salafisten in mehreren Städten, darunter auch in Mainz, kostenlose Korane verteilen. Rechtspopulisten von „Pro NRW“ wollen Mohammed-Karikaturen vor Moscheen aufhängen.

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Mainz/Berlin – Die deutschen Sicherheitsbehörden befürchten einen eskalierenden Konflikt zwischen Islamisten und Extremisten.

Mit Sorge wird beobachtet, „wie sich das politische und religiöse Klima in Deutschland weiter aufheizt“, hieß es in Regierungskreisen. Anlass ist einerseits die Auseinandersetzung um die Gratisabgabe von Koranen in zahlreichen deutschen Städten an diesem Samstag.

Zusätzlich bereitet den Behörden eine geplante Provokation der rechtspopulistischen Partei „Pro NRW“ Kopfzerbrechen: Sie hat zu einem islamkritischen Karikaturenwettbewerb aufgerufen und will die Siegerwerke vor 25 Moscheen aufhängen. Nach dem Mohammed-Karikaturenwettbewerb einer dänischen Zeitung war es 2005 zu blutigen Protesten und Anschlägen gekommen.

Aktion ist rechtlich gesehen in Ordnung

In 38 deutschen Städten wollen Anhänger der radikalislamischen Salafisten wieder Koran-Exemplare kostenlos abgegeben. Die Bewegung hat angekündigt, Infostände unter anderem auch in der Fußgängerzone von Mainz aufzustellen. Politiker fast aller Parteien waren sich am Tag vor der Aktion einig, dass dies isoliert gesehen wenig problematisch ist und sich nicht verhindern lässt, weil die Aktion vom Grundrecht auf Religionsfreiheit gedeckt ist. Gleichwohl wird nach Angaben aus Sicherheitskreisen jeder Stand vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch die örtlichen Sicherheitskräfte sind aufgerufen, das Auftreten fest ins Auge zu nehmen, um eingreifen zu können, wenn gegen das Ordnungsrecht verstoßen oder Straftaten wie etwa Volksverhetzungen begangen werden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet damit, dass bei den Kundgebungen Zwischenfälle möglich sind. „Womöglich kommt es zu Handgemengen der Salafisten mit ihren Gegnern“, sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut. „Bei Vorkommnissen wird die Polizei sofort zur Stelle sein und einschreiten.“

Keine Verteilung in Ludwigshafen

In Ludwigshafen wurde den Salafisten die Verteilaktion vom Ordnungsamt der Stadt untersagt. Zur Begründung des Verbots hieß es, dass der Antrag für einen Infostand in der Innenstadt nicht fristgerecht eingereicht und deshalb vom Ordnungsamt verworfen worden ist. Das Ordnungsamt und die Polizei wollen kontrollieren, ob das Verbot eingehalten wird.

Die Salafisten verwenden die Koran-Verteilung nach Überzeugung von Experten als Deckmantel für ihre weit über die religiöse Missionierung hinausreichenden Ziele. Diese laufen demnach darauf hinaus, Staat und Gesellschaft so umzugestalten, dass der Koran an die Stelle der Verfassung tritt und alle Grundrechte faktisch abgeschafft werden. Der Salafismus ist eine Durchgangsstation für Personen, die sich radikalisiert hätten, hieß es in Sicherheitskreisen weiter. Salafisten seien keine Terroristen, aber die islamistischen Terroristen hätten in Kontakt mit Salafisten gestanden oder seien selbst Salafisten gewesen.

Empört reagierten Politiker auf ein Hassvideo aus dem salafistischen Umfeld. Dieses enthielt eine sogenannte friedliche Warnung an Journalisten, die kritisch über die Koran-Verteilung berichtet hatten. Das Innenministerium bestätigte, dass deswegen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden sind. In dem Video werden persönliche Daten der Journalisten veröffentlicht, die bei einem der beiden jedoch auf einer Namensverwechslung beruhen. FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz brachte ein Vereinsverbot als „Ultima Ratio“ ins Spiel. „Wer sich auf Religionsfreiheit beruft, aber andere Grundrechte wie Pressefreiheit nicht achtet, zeigt deutlich eine verfassungsfeindliche Grundhaltung“, betonte die Innenexpertin. Gregor Mayntz