Sexismus-Debatte: Brüderle unter Druck

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Alles ein Missverständnis? So sieht es Peter „Bulo“ Böhling, dessen Buch „Männschen und Medien“ (JMB Verlag) mit Cartoons aus dem Medienmagazin „journalist“ gerade erschienen ist. Foto: Peter „Bulo“ Böh

Rainer Brüderle will weiter schweigen. Während in Fernsehrunden und Internetforen leidenschaftlich darüber diskutiert wird, wie sich Männer und Frauen in Deutschland begegnen und begegnen sollten, äußert sich der FDP-Fraktionschef und Spitzenkandidat für den Bundestagswahlkampf auch weiterhin nicht zu den Vorwürfen der „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich gegen ihn.

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Rainer Brüderle will weiter schweigen. Während in Fernsehrunden und Internetforen leidenschaftlich darüber diskutiert wird, wie sich Männer und Frauen in Deutschland begegnen und begegnen sollten, äußert sich der FDP-Fraktionschef und Spitzenkandidat für den Bundestagswahlkampf auch weiterhin nicht zu den Vorwürfen der „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich gegen ihn.

Doch der Druck auf Brüderle wächst. Die Taktik des Aussitzens könnte für den 67-jährigen Liberalen aus Rheinland-Pfalz durchaus nach hinten losgehen.

„Kein Kommentar!“, lauten die einzigen zwei Worte, die er bislang öffentlich zu der seit nunmehr einer Woche andauernden Affäre gesagt hat. Ansonsten geht es im Interview mit dem „Focus“, das mit einer Frage zum fraglichen Treffen an einer Hotelbar beginnt, um die Personalaufstellung für den Wahlkampf, um Mindestlöhne, Betreuungsgeld, stabile Währung und mögliche Rettungsprogramme für Zypern. Politik im Alltag, „Brot-und- Butter“-Themen, wie Brüderle selbst gern sagt, hier ist er sogleich in seinem Element. Aber dringt er damit noch durch, solange seine vermeintlichen schlüpfrigen Äußerungen gegenüber der Journalistin von ihm selbst unkommentiert im Raum stehen? Brüderle scheint fest davon auszugehen.

Dass er selbst nun mit einem nicht politisch- sachlichen Thema, sondern mit seinen Umgangsformen gegenüber Frauen in der Öffentlichkeit steht, wird dem für gewöhnlich im schnelllebigen Politbetrieb so erfahrenen und trittsicheren Brüderle kaum gefallen. Er lässt bei einem Glas Wein mit Journalisten zwar häufig und gern mal einen flapsigen Spruch fallen. Um ernsthaft Privates geht es ihm dabei aber nie. Zuletzt war allein er es, der den Liberalen beim Parteitag und beim Dreikönigstreffen wieder Selbstvergewisserung und damit Leben einhauchte. „Wir ham's gemacht!“, rief er der wie gelähmt auf die ernüchternden Umfragewerte blickenden Parteibasis so lange zu, bis sie selbst wieder an den Erfolg der schwarzgelben Regierungskoalition zu glauben schien. Viele hatten ihm zugetraut, geduldig zu warten und dann den Parteivorsitz von Philipp Rösler zu übernehmen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, sprich: wenn die Partei nach ihm rufen und ihn bitten würde. Er schien auf dem Zenit seiner Karriere angekommen.

Dass sein Name jetzt in aller Öffentlichkeit in einem Atemzug mit dem Thema Sexismus in Deutschland genannt wird, kann selbst einen Liberalen wie ihn, der seiner Partei stets Durchhaltevermögen verordnete, nicht kaltlassen. Es muss ihn tief verletzt haben, dass seine Ehefrau in die Berichterstattung des „Stern“ einbezogen worden war. Auch die FDP-Führung sieht damit eine Grenze überschritten. Aber Brüderle will nicht einmal mehr, dass andere Liberale ihn in der Sache verteidigen.

Bei der Präsidiumssitzung am Montag muss er dazu klare Worte gegenüber seinen Kollegen gewählt haben. Er wünsche keine weiteren Verteidigungsreden seiner Parteifreunde. Die Absicht ist klar: Weitere Äußerungen befeuern die Debatte weiter. Das soll verhindert werden. Doch ist sie Brüderle ohnehin entglitten. Ein angespannter Generalsekretär Patrick Döring tritt denn auch am Montag zur Pressekonferenz vor die Hauptstadtpresse. Seine dürre Erklärung, die Liberalen wollten sich „unbedingt für einen respektvollen Umgang miteinander“ engagieren, stellt hier niemanden zufrieden. Die Frage, warum sich Brüderle nicht selbst dazu erklärt, steht weiter im Raum. „Nur weil ein Gesprächspartner seine Befindlichkeiten öffentlich macht, müssen ja nicht alle beteiligten Personen das tun“, sagte Döring. Dort, wo er, Döring, aufgewachsen sei, würde man solche Dinge durch ein „offenes Gespräch“ klären. Zwischen den Zeilen ist die deutliche Kritik am „Stern“, der der FDP grundsätzlich nicht gewogen sei, herauszuhören. Döring spricht vom „Eifer der Political Correctness“, von einer übertriebenen politischen Korrektheit im Umgang miteinander also. Döring erklärt zwar, dass er nicht weiß, ob sich die Situation in der Bar so zugetragen hat wie von der Journalistin beschrieben. Trotzdem sagt er, dass sie ein „Zerrbild“ gezeichnet habe, das Brüderles „Person nicht gerecht wird“. Das klingt widersprüchlich.

Bisher deutet alles darauf hin, dass das Schweigen nur noch mehr kritische Fragen zur Causa Brüderle/Himmelreich provoziert. Vor einer Woche hätte womöglich eine kurze Entschuldigung gereicht, das Feuer auszutreten. Jetzt aber ist es anders: Jeder Tag, den die Debatte ohne ein Wort von Brüderle weitergeht, beschädigt ihn als Spitzenkandidaten seiner Partei. Die Frage, wie er zu den Vorwürfen steht, klebt nun an ihm – bis er sie beantwortet.

Von Rena Lehmann