Schlagabtausch: Braucht Deutschland eine Bürgerversicherung? CONTRA

Debeka-Chef Uwe Laue: „Die SPD-Pläne zum Radikalumbau zu einer Einheitskasse sind wie eine Operation am offenen Herzen bei einem gesunden Patienten. Dahinter verbergen sich schlimme Folgen für die medizinische Versorgung und für den Arbeitsmarkt.“
Debeka-Chef Uwe Laue: „Die SPD-Pläne zum Radikalumbau zu einer Einheitskasse sind wie eine Operation am offenen Herzen bei einem gesunden Patienten. Dahinter verbergen sich schlimme Folgen für die medizinische Versorgung und für den Arbeitsmarkt.“ Foto: Jens Jeske

Im deutschen Gesundheitswesen geht es sozial gerecht zu: Völlig unabhängig von ihrem Einkommen haben alle Bürger freie Arztwahl und profitieren vom medizinischen Fortschritt. Wir haben weltweit die kürzesten Wartezeiten. Wir werden in der Welt um unser Gesundheitssystem beneidet, und die Deutschen sind damit heute so zufrieden wie seit Jahrzehnten nicht. Da wären die SPD-Pläne zum Radikalumbau zu einer Einheitskasse wie eine Operation am offenen Herzen bei einem gesunden Patienten. Unverantwortlich.

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Von Uwe Laue

Das einzig Gute an der Bürgerversicherung ist der nett klingende Name – doch dahinter verbergen sich schlimme Folgen für die medizinische Versorgung und für den Arbeitsmarkt. Sie würde nur Verlierer erzeugen. Zu Recht warnen zahlreiche Ärzteverbände, dass die Gesundheitsversorgung mit den SPD-Plänen für alle Bürger schlechter werden würde:

  • Tausende Ärzte, Zahnärzte, Hebammen und viele andere Helfer müssten ihre Praxen schließen.
  • Medizinische Innovationen würden ohne den Wettbewerb mit der PKV erschwert.
  • Die Wartezeiten würden für alle länger.

Die Verfechter der Einheitskasse reden von einer angeblichen Zweiklassenmedizin und zielen damit auf Neidreflexe. Als Beleg nennen sie vor allem unterschiedliche Wartezeiten. Natürlich freut sich keiner, im Wartezimmer zu sitzen oder für Routineuntersuchungen erst Termine in einigen Wochen zu bekommen – aber Tatsache ist: Im Notfall und bei akuten Schmerzen gibt es bei uns gar keine Terminfristen; da wird jeder sofort versorgt, egal, wie er versichert ist. Und alle Versicherten – gesetzlich wie privat – haben grundsätzlich Zugang zu denselben hochklassigen Versorgungseinrichtungen.

Tatsache ist: Länder mit Einheitssystemen ohne den Wettbewerb mit privaten Versicherungen haben viel längere Wartezeiten bis zu sechs Monaten, wie in den Niederlanden oder Großbritannien. Doch hierzulande wird versucht, Wartezeiten von sechs Wochen zu skandalisieren. Viele seriöse Studien zeigen: Unser duales Gesundheitssystem ist Weltmeister bei den kürzesten Wartezeiten.

Ohne die private Krankenversicherung (PKV) hätte jede Arztpraxis im Schnitt pro Jahr über 50.000 Euro weniger Umsatz. Kein Wunder, dass jeder sechste Arzt fürchtet, dass er seine Praxis ohne Privatversicherte nicht mehr weiterführen könnte. Ohne die PKV würden die Ärzte und Krankenhäuser, Apotheken, Hebammen, Physiotherapeuten und viele andere pro Jahr 12,6 Milliarden Euro verlieren. Dieses Geld wird für Investitionen in Personal und neue Technik dringend benötigt. Vor einem so gefährlichen Experiment mit unserem Gesundheitssystem kann ich nur warnen – ganz abgesehen davon, dass es nach Ansicht führender Staatsrechtler auch noch verfassungswidrig wäre. Um die besorgten Ärzte zu beruhigen, versprechen SPD-Politiker, die Summe der Honorare gar nicht zu kürzen. Dann müsste also die Bürgerversicherung diese 12,6 Milliarden Euro übernehmen. Das entspricht einem Anstieg des Beitragssatzes von heute 15,6 auf fast 16,6 Prozent des Lohns. Dann müsste etwa eine leitende Krankenschwester pro Jahr 506 Euro zusätzlich für ihre Krankenversicherung zahlen. Was soll daran gerechter sein?

Die SPD-Pläne brächten auch eine drastische Verteuerung der Beiträge insbesondere für Fachkräfte. Führende SPD-Abgeordnete sagen ganz offen, dass sie in der Bürgerversicherung die Beitragsbemessungsgrenze von heute 52.200 Euro auf 76.200 Euro Jahresbrutto anheben wollen. Das ist eine Erhöhung um 46 Prozent – mit dramatischen Folgen für die Lohnzusatzkosten qualifizierter Arbeitsplätze. Konkret müsste dann ein Autofacharbeiter 1068 Euro pro Jahr mehr zahlen. In der Spitze würde die Beitragslast um 3744 Euro pro Jahr steigen.

Als Vorstandsvorsitzender der Debeka-Versicherungsgruppe empfinde ich auch große Verantwortung für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Wir sind einer der größten Versicherer in Deutschland und Marktführer in der PKV. Jeder vierte Privatpatient in Deutschland ist bei der Debeka versichert – fast 2,4 Millionen Menschen. Bundesweit beschäftigen wir circa 16.000 Mitarbeiter. Allein an unserem Hauptsitz in Koblenz arbeiten fast 4000 Debekaner. Viele von ihnen arbeiten unmittelbar oder mittelbar im Bereich der privaten Krankenversicherung. Wie erkläre ich denen, dass Arbeitsplätze in Gefahr sind, weil die private Krankenversicherung aus rein ideologischen Gründen abgeschafft werden soll? Und: Die Debeka zahlt jedes Jahr Gewerbesteuern in Höhe von fast 30 Millionen Euro an die Stadt Koblenz und sorgt für Kaufkraft.

Insgesamt gibt es in der PKV rund 68.000 Arbeitnehmer. SPD-Chef Martin Schulz hat mit Blick auf Siemens die Streichung von 3500 qualifizierten Jobs als „volkswirtschaftlich irrsinnig und verantwortungslos“ kritisiert. Wirklich irrsinnig und verantwortungslos wäre es, aus parteipolitischen Motiven 68.000 qualifizierte Arbeitsplätze in der PKV zu bedrohen. Eine Radikalreform zulasten des erfolgreichen dualen Systems wäre unnötig und unverantwortlich. Deutschland hat wirklich wichtigere Probleme.