RZ-KOMMENTAR: Steinbrücks Honorare sind kein Grund für eine Debatte

Selten dürfte ein Sozialdemokrat in so kurzer Zeit Millionär geworden sein wie der Vortragsreisende in eigener Sache, Peer Steinbrück. Für eine erregte Debatte eignet sich das nun öffentlich gewordene Honorar des Merkel-Herausforderers indes nicht.

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Michael Bröcker zum Thema Nebeneinkünfte

Peer Steinbrück hat in seiner Zeit als Ex-Finanzminister 1,2 Millionen Euro für Reden und Vorträge kassiert. Na und? Die Summe reflektiert schlicht den Marktwert des wortmächtigen früheren Finanzministers. Die Unternehmen waren offenbar bereit, für knackige Botschaften und Einblicke in die Regierungsarbeit eines Krisenmanagers üppige Honorare zu zahlen. Das ist nicht weiter verwerflich. Und Peer Steinbrück hat die Honorare korrekt beim Bundestag angegeben.

Dass er sein Abgeordnetenmandat durch die Tätigkeiten vernachlässigt hat, konnte ihm bislang keiner nachweisen. Nur das wäre aber angreifbar. Denn im Gesetz steht, dass im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten sein Mandat stehen muss. Ob das bei Steinbrück der Fall war, ist nicht eindeutig zu klären. Sicher hat er auch einige namentliche Abstimmungen geschwänzt, wie das Parlamentsprotokoll aufweist. Das haben andere Abgeordnete aber auch. Als besonders „fauler“ Abgeordneter ist Peer Steinbrück nicht bekannt, in zentralen Debatten über die Euro-Krise hat er zudem das Wort ergriffen.

Die öffentliche Debatte in der Vergangenheit wurde indes teilweise so geführt, als habe Steinbrück Steuerzahlergelder veruntreut. In Wirklichkeit hat er laut Teilnehmerangaben bei zahlreichen Vorträgen Bankern und Industrielobbyisten die Leviten gelesen, ihnen unangenehme Dinge wie Steuererhöhungen und gesetzliche Restriktionen als notwendige Maßnahmen einer SPD-geführten Regierung angekündigt. Steinbrücks Finanzplan zeigt zudem, dass Interessenkonflikte den Mann offenbar nicht plagen. Steinbrücks SPD will Unternehmen, Erben, Spitzenverdiener, Anleger und Finanzindustrielle zur Kasse bitten. Dass seine Zuhörer für solche Botschaften auch noch zahlen, ist ihre Sache.

Auch Union und FDP haben rasch gemerkt, dass scharfe Angriffe auf den SPD-Kanzlerkandidaten in dieser Sache zum Bumerang werden. Es wäre auch für viele Unions- und FDP-Abgeordnete ein Problem, wenn sie künftig jeden Cent ihrer Nebeneinkünfte öffentlich machen, Mandantengeheimnisse und Auftragslagen ausplaudern müssen. Ein Berufspolitiker-Parlament ist das Schlechteste, was aus dieser Debatte folgen könnte.

Also: Peer Steinbrück ist ein unscharfer, teils widersprüchlicher Sozialdemokrat, der im Wahlkampf noch oft genug die Fäuste in der Tasche ballen wird, wenn er öffentlich SPD-Positionen verteidigen muss. Wofür steht Peer Steinbrück bei Themen wie Rente, Frauenquote, Länderfinanzausgleich, Subventionsabbau, Steuergerechtigkeit wirklich? Damit sollten sich Union und FDP auseinandersetzen. Nicht mit seinen Vortragshonoraren.

E-Mail: michael.broecker@rhein-zeitung.net