RZ-KOMMENTAR: Politik des (Un-)Vermögens

Wenn die Bundesregierung sich hinstellt und das nun beschlossene Sparpaket als ausgewogen und gerecht bezeichnet, klingt das wie blanker Hohn. Geringverdiener, Arbeitslose und Rentner sind diejenigen, die die Rotstiftpolitik am drastischsten zu spüren bekommen.

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

Die Beiträge zur Rentenversicherung für Hartz-IV-Empfänger werden gestrichen, das Elterngeld wird gekürzt, der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger wird abgedreht, und die Zuschläge für Arbeitslose beim Übergang ins Arbeitslosengeld II gehören künftig der Vergangenheit an. Konkrete Sparmaßnahmen betreffen vornehmlich sozial Schwächere. Wer mehr auf der hohen Kante hat, wird höchstens mit Absichtserklärungen bedacht. Das soll gerecht sein?

Drehen wir die Uhr zurück: Vor der Bundestagswahl hat Schwarz-Gelb den Wählern spürbare Entlastungen in Aussicht gestellt. Jetzt soll derselbe Wähler dafür dankbar sein, dass er von einer Erhöhung der Mehrwert- und Einkommensteuer verschont bleibt? Dabei hätte die Regierung auf ein gehöriges Maß an Einsicht in der Bevölkerung setzen können. Die drastischen Folgen der Weltwirtschaftskrise, der (Ver-)Fall des Euro und die unkontrolliert wachsenden nationalen Schuldenberge waren in diesem Ausmaß vor der Wahl nicht auszumachen. Dass jetzt eher der Rotstift angesagt und keine Zeit für Geschenke ist, dürfte den meisten Bundesbürgern längst eingeleuchtet haben. Wenn dann aber ein Sparkurs die soziale Balance derart außer Acht lässt, ist der Proteststurm von Gewerkschaften, Verbänden und der Opposition nur zu verständlich.

Dass bei einem 80-Milliarden-Paket der enorme Sozialetat nicht verschont bleiben kann, dass ein solches Einsparvolumen nicht allein in Nischenhaushalten zusammengekratzt werden kann, steht außer Frage. Aber warum hat die Regierung Merkel eine Vermögensteuer oder eine Erbschaftsteuer in dieser finanziellen Notlage nicht einmal in Erwägung gezogen? Warum scheint das erweiterte Mehrwertsteuerprivileg wie in Stein gemeißelt? Warum beschränkt man sich darauf, für eine Finanzmarktabgabe lediglich die Voraussetzungen schaffen zu wollen? Anderswo hat man doch auch keine Scheu gehabt, die Grausamkeiten auf den Tisch zu legen. Union und FDP haben mit diesem Sparpaket den Vorwurf, vorrangig ihre Klientel zu bedienen – oder in diesem Fall zu verschonen -, nicht entkräften können. Im Gegenteil. Der Volksmund sagt: Der kleine Mann hat keine Lobby. Das hat die Bundesregierung mit ihrer Politik des (Un-)Vermögens nur unterstrichen.

E-Mail an den Autor: Markus.Kratzer@Rhein-Zeitung.net