RZ-KOMMENTAR: Linke entfremdet sich vom Osten und setzt so ihre Existenz aufs Spiel

Es ist schon erstaunlich, wie sehr ein vor allem von persönlichen Eitelkeiten getriebener Machtpolitiker und Demagoge wie Oskar Lafontaine seit Jahren das Schicksal der deutschen Linken bestimmt. Erst brachte der Saarländer die Regierungspartei SPD mit seinen eigensinnigen Alleingängen an den Rand des Scheiterns.

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Dann sprengte er das linke Lager durch die Gründung der Linkspartei auf und verhinderte so jahrelang, dass eine eigentlich vorhandene Mehrheit jenseits von Union und FDP eine Regierung bilden konnte. Seiner alten politischen Heimat, der SPD, bescherte er eine handfeste Existenz- und Identitätskrise. All dies geschah – wie so oft bei Lafontaine – aus rein destruktiven Motiven. An der von ihm so titulierten neoliberalen Politik in Deutschland änderte dies rein gar nichts.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise, vor der er ja immer gewarnt haben will, brach trotzdem über die Bürger hinein. Jetzt ist Lafontaine auf dem besten Weg, sein eigenes politisches Kind, die Linkspartei, entweder endgültig zu spalten oder sie ihrer Existenz zu berauben.

Was da auf dem Parteitag der Linkspartei in Göttingen passierte, ist ein Paradebeispiel für die Machtspielchen des Oskar Lafontaine, aber auch ein Armutszeugnis für eine demokratische Kraft, die im Osten weiterhin als Volkspartei tief verankert ist und im Bundestag sitzt. Die neue Doppelspitze Katja Kipping und Bernd Riexinger mag zwar wie ein Triumph Lafontaines wirken, weil er damit seinen Rivalen Dietmar Bartsch vom Thron ferngehalten hat.

Doch damit hat er die ostdeutschen Mitglieder tief verärgert. Ihnen ist mit der Wahl des Lafontaine-Vertrauten und West-Gewerkschafters Riexinger und der Ostdeutschen Kipping, die bei den Genossen zwischen Rügen und dem Erzgebirge aber kaum Rückhalt genießt, der Boden unter den Füßen weggerissen worden. Das ist fatal für die Linkspartei, weil der Osten die Basis ihrer Erfolge auf Bundesebene ist. Wer die Mitglieder und die Bürger im Osten von der Partei entfremdet, der wird bei der Bundestagswahl scheitern. Dabei bräuchte die Linke gerade jetzt, da mit den Piraten ein ernst zu nehmender Konkurrent auf der politischen Bühne aufgetaucht ist, Geschlossenheit.

Den Sozialdemokraten wird es eine späte Genugtuung sein, dass möglicherweise ausgerechnet ein gewisser Oskar Lafontaine das Grab für die einst so starke Linkspartei geschaufelt hat. Der Linken selbst bleibt nur noch die Hoffnung, dass die bislang vielleicht unterschätzte Katja Kipping das Unmögliche schafft: die Grabenkämpfe in der Partei zu beenden und die enttäuschten Ostdeutschen mit der Linken zu versöhnen. 15 Monate vor der Bundestagwahl ist dies eine Mammutaufgabe, zumal Kipping stets die unkalkulierbaren Schachzüge eines erfahrenen Strippenziehers zu fürchten hat: Oskar Lafontaine.

E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net