RZ-Kommentar: Juristisch könnte Wulff gelingen, was politisch nicht ging

Am Ende eines beispiellosen Ermittlungsverfahrens ist von den Beschuldigungen gegen Christian Wulff kaum etwas übrig geblieben. Nichts vom anfangs anrüchigen Hauskredit, nichts von Urlauben in den Domizilen Prominenter, nichts von vergünstigten Autos bis zum geschenkten Bobbycar. Einzig ein München-Aufenthalt belegt nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, dass sich Wulff von einem Filmproduzenten hat bestechen lassen.

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So ganz sicher waren sich die Staatsanwälte aber nicht, ob ihr Ermittlungsergebnis und das öffentliche Interesse unbedingt einen Prozess erfordern. 20 000 Euro und ein indirektes Schuldanerkenntnis Wulffs, und sie hätten darauf verzichtet. Wollten sie sich damit selbst aus der Affäre ziehen, so haben sie Wulff falsch eingeschätzt. Der Präsident Wulff hielt schon seinen Umgang mit der Affäre für in Ordnung, obwohl es ein katastrophales Krisenmanagement war. Der Jurist Wulff ist sich umso sicherer, dass der Bestechungsvorwurf ihn nicht trifft.

Deshalb suchte er den Befreiungsschlag und schlug das Angebot der Strafverfolger aus. Lieber ein neues „Stahlgewitter“ in einem öffentlichen Prozess und damit die Chance auf weiße Weste am Ende als nur ein Freispruch zweiter Klasse, bei dem der Verdacht des verbotenen Tuns trotzdem an ihm für immer kleben bleibt. Wulff riskierte also ganz bewusst Anklage und Prozess. Zumindest die Anklage hat er nun am Hals. Das Gericht wird jetzt erst einmal ein paar Monate brauchen, um sich zu entscheiden, ob es für eine Hauptverhandlung reicht.

Es ist völlig frei darin, neue Einschätzungen der Beschuldigten einzuholen, diese anders zu gewichten, die Beschuldigungen zu verändern, in Teilen oder in Gänze fallen zu lassen. Denn in dem Wulff- Verfahren hat die Staatsanwaltschaft den bemerkenswerten Weg gewählt, die Anschuldigungen zu verschärfen, obwohl die Basis dafür immer kleiner wurde. Statt bloßer Vorteilsnahme klagt sie Wulff der Bestechlichkeit an.

Das ist eine deutlich schwerwiegendere Tat und wird auch härter bestraft. Es steht außer Zweifel, dass Wulff 2008 mit seiner Gattin auf Kosten des befreundeten Filmproduzenten David Groenewold in München übernachtet, fein zu Abend gegessen und beim Oktoberfest kräftig gefeiert hat. Es wird auch nicht bestritten, dass Groenewold danach Wulff gebeten hat, sich für ein neues Filmprodukt bei Siemens- Chef Peter Löscher einzusetzen.

Und dass Wulff das Wochen später tatsächlich getan hat. Er tat es nicht heimlich, sondern in einem aktenkundigen Schreiben. Schon damals war er sich also keiner Schuld bewusst. Und heute ist er es erst recht nicht, nachdem alle anderen Vorwürfe in sich zusammengebrochen sind oder nicht zu beweisen waren. Es bleibt die spannende Frage, wie das Gericht die Hilfsbereitschaft Wulffs im Angesicht des spendablen Freundes bewertet.

Dabei hat Wulff jedoch eindeutig bessere Karten als seinerzeit beim Versuch, aus dem Geflecht aus Urlauben, Vergünstigungen, Mailbox-Drohungen und widersprüchlichen Teilwahrheiten herauszukommen. Juristisch könnte ihm gelingen, was politisch nicht klappen konnte.

E-Mail: gregor.mayntz@rhein-zeitung.net