RZ-Kommentar: Grüne legen sich ganz ohne Not fest

Die Grünen sind dabei, sich in ein echtes Dilemma zu manövrieren. Während sie selbst seit Wochen stabil bei um die 15 Prozent liegen, schwächelt ihr Wunsch-Koalitionspartner SPD ganz erheblich.

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Wäre am Sonntag Bundestagswahl, kämen die Sozialdemokraten gerade mal auf 23 Prozent – und es würde für Rot-Grün eindeutig nicht reichen. Einen Plan B gibt es bei den Grünen aber nicht.

Über schwarz-grüne Koalitionsoptionen überhaupt nur laut nachzudenken, kommt in der Partei einem Tabubruch gleich. Dabei wäre die starre Festlegung gar nicht notwendig. Sie könnte sich sogar als schwerwiegender Fehler entpuppen. Beispiele aus den Ländern zeigen, dass es auch anders geht. „Grün pur“ hieß die Devise, die einst Grünen-Parteichef Cem Özdemir ausgab. Danach sollten die Grünen sich auf ihr eigenes Programm und ihre Stärken konzentrieren. Selbstbewusst und ohne dabei nur auf den Koalitionspartner zu schielen. Winfried Kretschmann wurde auch mit dieser Taktik erster grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg, die SPD zum kleineren Koalitionspartner degradiert.

Im Bund nun haben die Grünen diesen konsequenten Weg der Eigenständigkeit verlassen. Einerseits drängt die Parteiführung auf ein schriftliches Bekenntnis zum Koalitionspartner SPD, andererseits legt man den Schwerpunkt im Parteiprogramm aber so stark auf die Sozialpolitik, dass die SPD sich Sorgen machen sollte. Die Pläne der Grünen zur Besteuerung der Wohlhabenden sind teils noch weitreichender als die der Sozialdemokraten. Beim Kernthema der SPD, der sozialen Gerechtigkeit, machen die Grünen ihrem Wunschpartner gerade erheblich Konkurrenz. Umso weniger logisch scheint da die Ausschließlichkeit, mit der man sich auf ein rot-grünes Bündnis festlegen will.

Natürlich sind die Gemeinsamkeiten mit der SPD in der Steuer- und Gesellschaftspolitik größer, als sie es mit der Union wären. Aber was, wenn es am Ende nicht reicht und auch Schwarz-Gelb keine Mehrheit zustande bringt? Demokratische Parteien müssen doch grundsätzlich bereit sein, mit allen über Koalitionen zu sprechen. Wenn die Grünen sich jetzt im Programm festlegen und im September doch mit der Union sprechen, würde aus dem Tabubruch allerdings ein Wortbruch, den die Partei schwerlich verkraften würde. Heute so zu tun, als könnte diese Situation gar nicht erst eintreten, ist deshalb schlicht vollkommen realitätsfern.

E-Mail: rena.lehmann@rhein-zeitung.net