RZ-KOMMENTAR: Die halbe Wahrheit reicht für einen Bundespräsidenten nicht aus

Die halbe Wahrheit ist meistens auch nicht viel besser als eine handfeste Lüge. Das gilt insbesonders für einen Bundespräsidenten. Der erste Repräsentant des Staates ist so etwas wie das moralische Gewissen der Nation.

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Die halbe Wahrheit ist meistens auch nicht viel besser als eine handfeste Lüge. Das gilt insbesonders für einen Bundespräsidenten.

Der erste Repräsentant des Staates ist so etwas wie das moralische Gewissen der Nation. Mahnend darf er selbst beizeiten den Finger erheben und den Mächtigen ebenso wie dem Volk den rechten Weg weisen. Glaubwürdig bleibt er dabei aber nur, wenn er selbst in höchstem Maße integer ist. Eine weiße Weste sollte er vor allem in Finanzangelegenheiten haben. Denn nichts schadet dem Ansehen des wichtigen Amtes mehr als der Geruch von Käuflichkeit und kumpelhaftem Gemauschel.

Die Affäre um ein privates Darlehen von einer halben Million Euro für den Kauf eines Einfamilienhauses wird deshalb mindestens einen Schatten hinterlassen. Denn auch wenn Christian Wulff damals als Ministerpräsident nicht unmittelbar gelogen hat, wenn er angab, in keiner geschäftlichen Beziehung zu dem niedersächsischen Unternehmer Egon Geerkens zu stehen: Die ganze Wahrheit war es doch auch nicht, weil er sich gleichzeitig von dessen Frau einen Privatkredit zu einem günstigen Zinssatz finanzieren ließ. Dass er darüber lieber schwieg, lässt nur vermuten, dass er sich der Redlichkeit schon damals nicht ganz sicher gewesen sein muss. Der Schaden wäre heute weitaus geringer, hätte er es offengelegt.

Nun aber erinnert man sich daran, dass es für die Wulffs nicht die erste Kungelei in Geldangelegenheiten war. 2009 verbrachten sie ein paar Tage in der Villa ebenjenes Unternehmers, flogen Businessklasse, ohne den Aufpreis zu zahlen – Wulff musste den Fehler einräumen und nachzahlen. Auch ein Urlaub auf dem Anwesen des umstrittenen Finanzunternehmers Carsten Maschmeyer sorgte für Gerede über Wulffs Nähe zur Wirtschaft, obwohl das Ehepaar dafür zahlte.

Man kann auch von einem Ministerpräsidenten, wie Wulff es damals war, nicht erwarten, dass er reichen Freunden die Freundschaft aufkündigt. Man darf aber erwarten, dass er sich daraus keinerlei Vorteil verschafft. Sein Ministerpräsidenten-Salär von rund 13 000 Euro monatlich war ausreichend, um nicht in Versuchung zu geraten. Jetzt bleibt ein Geschmäckle.

E-Mail: rena.lehmann@rhein-zeitung.net