RZ-KOMMENTAR: Bei Anruf Rücktritt! Aber welche Rolle spielt Horst Seehofer?

Markus Kratzer zum Aus für den CSU-Sprecher

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Markus Kratzer zum Aus für den CSU-Sprecher

Das war so sicher wie der Abspann eines Kinofilms: Nach dem umstrittenen Telefonat mit der ZDF-Redaktion und der damit ausgelösten Debatte bittet CSU-Sprecher Hans Michael Strepp den Parteichef, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Und Horst Seehofer entspricht dieser Bitte und bezeichnet den Schritt auch noch als „unvermeidlich“.

Bei Anruf Rücktritt! Das hätte dem 44-Jährigen klar sein müssen, bevor er zum Hörer griff und versuchte, einen Beitrag in den „heute“-Nachrichten über den bayerischen SPD-Parteitag und die Kür von Christian Ude als Spitzenkandidat für die Landtagswahl zu verhindern. In einer solchen Position muss man eigentlich Profi genug sein, um zu wissen, dass ein derart schäbiges Unterfangen nicht im Verborgenen bleibt und damit ohne Konsequenzen über die Bühne geht.

Doch jetzt, wo der Vorhang für Strepp gefallen ist, stellt sich die Frage, ob diese Polit-Posse damit vollständig abgedreht ist. Und wer wirklich die Hauptrolle in dem Streifen gespielt hat – oder noch spielt. Zwar gilt die Unschuldsvermutung auch für Generalsekretäre und Parteivorsitzende. Doch es fällt schwer zu glauben, dass dieser Versuch der Einflussnahme ein Vorstoß war, der ohne das Wissen von Alexander Dobrindt und/oder Horst Seehofer erfolgt ist. Warum sollte ein Kenner der journalistischen Szene einen derart riskanten Kurs fahren, mit dem er im günstigsten Falle nur seinen eigenen Job aufs Spiel setzt? Zwar weiß jeder, dass vor allem im weiß-blauen Koordinatensystem Fünfe nicht selten gerade sind. Doch das alles als blauäugigen Versuch abzutun, seinem Herrn in vorauseilendem Gehorsam zu Diensten zu sein, oder es einfach auf die bajuwarische „Mir-san-mir-Mentalität“ zu schieben, bleibt zu sehr an der Oberfläche.

Der Verdacht, dass Hans Michael Strepp nur eine Nebenrolle in diesem Drehbuch zukommt, ist mit seinem Rücktritt nicht ausgeräumt. Zudem bringt der Fall sowohl die Journalisten auf der einen Seite als auch die Pressestellen von Parteien, Organisationen und Vereinen in den Verdacht, dass derartige Mauscheleien an der Tagesordnung seien. Natürlich werden „Nachrichten“ ausgetauscht, die manchmal auch nicht zur Weiterverbreitung bestimmt sind. Doch zwischen einem mehr oder weniger vertrauensvollen Verhältnis und einer allzu innigen Beziehung, die einer Seite das Gefühl gibt, bestimmen zu können, was die andere Seite tun oder lassen muss, liegt eine unverrückbare Grenze: die journalistische Unabhängigkeit.

E-Mail: markus.kratzer@rhein-zeitung.net