Privilegien eingebüßt – Prestige ist geblieben

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Der ARD-Experte Rolf Seelmann-Eggebert (74) wird immer dann gerufen, wenn in adeligen Häusern Hochzeiten oder auch Begräbnisse anstehen. Nach der Trauung von William und Kate in London kommentierte er im Sommer auch die Liveübertragung der Hochzeit von Georg Friedrich Prinz von Preußen. Wir fragten den Journalisten nach der Bedeutung des Adels in der heutigen Zeit.

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Der ARD-Experte Rolf Seelmann-Eggebert (74) wird immer dann gerufen, wenn in adeligen Häusern Hochzeiten oder auch Begräbnisse anstehen. Nach der Trauung von William und Kate in London kommentierte er im Sommer auch die Liveübertragung der Hochzeit von Georg Friedrich Prinz von Preußen. Wir fragten den Journalisten nach der Bedeutung des Adels in der heutigen Zeit.

Welche gesellschaftliche Bedeutung hat der Adel heute noch?

Er besitzt noch immer ein gewisses Ansehen in der Bevölkerung. Das kann man insbesondere in kleineren Fürstentümern beobachten, etwa im niedersächsischen Bückeburg. Da schaut man auf das Schloss, man sucht nach Vorbildern. Die Adeligen, man spricht von 80 000, haben ihre Privilegien mit dem Ende des Kaiserreichs eingebüßt. Aber das Prestige ist erhalten geblieben. Diese Prestigerolle ist für kleinere Fürstentümer leichter als für das Haus Preußen. Es ist nach dem Zweiten Weltkrieg so diffus geblieben und so schwer erkennbar für die Deutschen. Das hängt damit zusammen, dass sich der Kronprinz in der Nähe von Stuttgart niederließ, während der Sohn in die Nähe von Bremen ging. Damals ist die Mitte verloren gegangen. Kein Wunder, denn die Mitte hieß Berlin, und die existierte kaum mehr. Das Schloss existierte nicht mehr, Besitztümer in Ostpreußen waren verloren gegangen. Das ändert sich jetzt durch die Tatsache, dass sich das junge Paar – wie ich vermute – in Berlin niederlassen wird. Dass die beiden in Potsdam geheiratet haben, ist ein Hinweis darauf, dass der alte Stammsitz für sie eine Rolle spielt.

Warum stoßen Adelshochzeiten auf so großes Interesse?

Derartige Hochzeiten hat es seit 1918 immer wieder in Herzog- oder Fürstentümern gegeben. Insbesondere die Chefs dieser Häuser produzieren eine gewisse Neugier. Die Regierenden von damals wie die Preußen, Sachsen, Bayern oder Württemberger haben sich als Familien erhalten. Und wenn sich der Chef eines dieser Häuser verheiratet, ist es im Adel üblich geblieben, dass man da auch hinkommt. Das lockt natürlich Neugierige an – erst recht, wenn sich, wie in diesem Fall, eine Fernsehanstalt entschlossen hatte, die Hochzeit zu übertragen. Dadurch bekommt das Ereignis eine gewisse Öffentlichkeit, die es sonst vielleicht nicht gehabt hätte.

Halten Sie die Kritik an der TV-Übertragung solcher – rein privater – Ereignisse für berechtigt?

Kritik an Übertragungen von königlichen oder Adelshochzeiten hat es immer gegeben. Ich kann verstehen, dass sich einige Leute darüber aufregen. Für mich jedoch ist es nichts weiter als ein Service für ein Publikum, das sich interessiert. Für mich ist die Entscheidung auch sehr leicht nachvollziehbar, dass ein Land wie Berlin-Brandenburg sagt: Da tritt ein altes Haus, das in der Geschichte unseres Landes eine große Rolle gespielt hat, an die Öffentlichkeit – das ist Anlass, nach dem Rest der Familie zu schauen. Vor allem im Zusammenhang mit zwei Jubiläen: 950 Jahre Preußen und dem 300. Geburtstag Anfang nächsten Jahres von Friedrich dem Großen.

Das Gespräch führte Marion van der Kraats