Rheinland-Pfalz

Polizist: Ohne Zeugenaussage geht nichts

Ermittlungen im Rotlichtmilieu sind personalintensiv und schwierig. Vor Gericht ist die Polizei auf Zeugenaussagen der Opfer angewiesen.
Ermittlungen im Rotlichtmilieu sind personalintensiv und schwierig. Vor Gericht ist die Polizei auf Zeugenaussagen der Opfer angewiesen. Foto: dpa

Nicht nur Organisationen sind über die Untätigkeit der Bundesregierung empört. Bis Anfang April hätte in Deutschland eine EU-Richtlinie zum Umgang mit Menschenhandel umgesetzt werden müssen. Doch in Berlin streiten sich Politiker über die Details.

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Der Landesvorsitzende des Bunds deutscher Kriminalbeamter (BdK), Werner Märkert, erklärt im Interview mit unserer Zeitung, mit welchen Problemen die Polizei zu kämpfen hat.

Warum sind die Ermittlungen gegen Menschenhändler so schwer?

Ermittlungen im Bereich Menschenhandel sind extrem zeit- und personalintensiv. Wir müssen die Straftaten ja erst einmal erkennen, bevor wir ermitteln können. Außerdem sind viele Ausländer involviert. Die Opfer sprechen oft kein Deutsch. Auch der Zugang zu ihnen ist schwer. Es braucht sehr lange, bis wir genügend Vertrauen aufbauen können, dass am Ende eine verwertbare Aussage vor Gericht zustande kommt. Von den Opfern werden staatliche Stellen, auch die Polizei, eher als Feinde betrachtet, weil es in ihren Heimatländern Korruption und Amtsmissbrauch gibt.

Die neue EU-Richtlinie sieht vor, dass eine Strafverfolgung auch dann stattfinden soll, wenn die Opfer ihre Aussage zurückziehen. Würde das Ihre Arbeit erleichtern?

Auf jeden Fall. Der Irrsinn momentan ist ja, dass wir eine Aussage eines Opfers, per Video aufgezeichnet von der Polizei, vor Gericht nicht immer als Aussageersatz verwenden dürfen. Das geht nur, wenn ein Richter die Videovernehmung durchführt. Dadurch werden die betroffenen Frauen oft vor Gericht ein zweites oder drittes Mal zu Opfern, weil sie immer wieder ihre schreckliche Geschichte erzählen müssen.

Es wäre sinnvoll, wenn endlich polizeiliche Videovernehmungen der richterlichen gleichgesetzt würden. Es kommt auch vor, dass Betroffene unfreiwillig ihre Aussage zurückziehen, weil sie plötzlich angeblich mit ihrem Zuhälter verlobt oder gar verheiratet sind und dann das Recht auf Aussageverweigerung haben.

Was hat den Ermittlern die Legalisierung der Prostitution gebracht?

Es ist gut, dass die Frauen nicht bestraft werden. Aber letztendlich hat dieses Gesetz die Stellung der Menschenhändler gestärkt. Wir haben dadurch kaum noch Kontrollmöglichkeiten. Wenn Sie eine Imbissbude eröffnen wollen, brauchen Sie eine umfassende Genehmigung. Wenn Sie aber ein Bordell betreiben wollen, können Sie sofort loslegen. Sie dürfen sogar vorbestraft sein.

Das Erkennen der Delikte ist durch die Legalisierung viel schwerer geworden. Bordellbetreiber sollten unbedingt ein Führungszeugnis vorweisen können und müssen viel stärker kontrolliert werden.

Also war die Legalisierung der Prostitution falsch?

Nein, nicht grundsätzlich. Denn es geht nicht darum, die Prostituierten zu bestrafen. Prostitution gab es schon immer. Es ist ja bekanntlich das älteste Gewerbe der Welt. Aber die Klientel der Täter hat sich verändert. Das sind organisierte Banden – beispielsweise aus dem Rockermilieu oder aus Osteuropa. In dieser Branche besteht ein unglaublicher Druck, und es geht ausschließlich um Gewinnmaximierung. Darauf muss sich die Gesetzgebung einstellen.

Mit welchen Methoden geht das LKA gegen Menschenhändler vor?

Wenn wir einen Anfangsverdacht haben, können wir sehr viele Maßnahmen treffen, um die Täter ausfindig zu machen. Dazu gehören auch die Telefonüberwachung, Observation und andere verdeckte Ermittlungen. Aber uns fehlt schlicht das Personal – da bleibt nicht viel Spielraum für langfristige Ermittlungen. Wenn Sie ein Telefon rund um die Uhr abhören wollen, brauchen Sie genug Leute, um diese Aufgabe zu stemmen.

Das Gespräch führte Stefan Hantzschmann