Pofallas Politikverständnis hat sich selbst demaskiert

Von unserem Redakteur Peter Lausmann

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Fast müsste man dankbar sein: Im immer gleichen Brei der Phrasen und Worthülsen, den der Berliner Politikbetrieb Tag für Tag auftischt, sehnen sich die Bürger nach Echtheit und Charakter.

Nicht umsonst sind in der jüngsten Zeit immer die Politiker am erfolgreichsten, die so tun, als wären sie gar keine. Was sich Kanzleramtschef Ronald Pofalla nun aber zur Schärfung seines Profils geleistet hat, schießt – gelinde gesagt – übers Ziel hinaus. Oder im Klartext: Mit den Worten „Scheiße“ und „Fresse“ ist kein Staat zu machen, sie sind der Lenker unseres Landes unwürdig. Diese Worte sind charakterlos, und sie werfen ein Schlaglicht darauf, wie derzeit offenbar Politik gemacht wird.

Auf die erste Überraschung ob des Tonfalls, der derzeit in einer offenbar durch die Euro-Krise nervlich zerrütteten Union herrscht, folgt sogleich die Erschütterung, wie das Parteiensystem mit Meinung und Gegenpositionen umgeht. Sicher mag es einigen „Parteifreunden“ mittlerweile sauer aufstoßen, wie Rettungsschirm-Skeptiker Wolfgang Bosbach seine Position in nahezu jedes verfügbare Mikrofon platziert. Die sachliche Auseinandersetzung mit den Inhalten darf darüber aber nicht verloren gehen. Und sie ist es offenbar doch. Denn Pofallas Mission ist nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit politischen Themen, sondern die stumpfe Mehrheitsbeschaffung. Pofallas direkte Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, gibt die Richtung vor, die Abgeordneten haben zu parieren. Die Fraktion als Herde, er der Schäferhund der Kanzlerin.

Es passt ins Bild, das Pofalla seit seinem Wechsel vom CDU-Generalsekretariat ins Kanzleramt abgibt: Dort ist diplomatische Moderation zwischen den Ministerien gefordert. Seine Vorgänger Steinmeier und de Maizière beherrschten dies lautlos in Perfektion. Dem cholerischen Pofalla ist das fremd, immer wieder gibt es Zweifel an seiner Kompetenz. Das trostlose Bild, das die schwarz-gelbe Koalition abgibt, ist zum Teil auch sein Verdienst. Doch seine bedingungslose Treue zur Kanzlerin scheint das für Merkel derzeit noch aufzuwiegen – noch.

Der Ausfall ihres Wadenbeißers Pofalla schadet allerdings nicht nur der Kanzlerin, sondern auch der ganzen Partei. Wenn Politik im Stile Pofallas gemacht wird, ist es zwangsläufig, dass sich die Menschen von Partei und Politik als Ganzem abwenden. Der von oben servierte Einheitsbrei zerstört Diskussionen und Interesse, der Ton auch noch den letzten Respekt.

E-Mail an den Autor: peter.lausmann@rhein-zeitung.net