Paris

Pilotprojekt: „Deutschmobil“ soll Lust auf die Sprache machen

Es ist kein gewöhnlicher Morgen für die Zehnjährigen der Grundschule Robert-Estienne im Herzen der französischen Hauptstadt. Deutschland ist an diesem Tag im Kleinbus in ihr Klassenzimmer gerollt. Nun steht die Fahrerin vorn an der Tafel und spricht ungewohnte Sätze in die Runde.

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„Hallo guten Morgen! Ich bin Friederike“, sagt die junge Frau mit den hellen Augen und hält dabei ein Kärtchen mit einer winkenden Hand in die Höhe, während sie das Gesagte mit einer Art Zeichensprache unterstützt.

Friederike Engel ist Lektorin des „Deutschmobils“ – ein weißer Kleinbus mit modernen Unterrichtsmaterialien an Bord, der an die französischen Schulen fährt und Lust auf das Lernen der deutschen Sprache machen soll. „Ziel ist es, die Franzosen für Deutschland zu begeistern, ihnen zu zeigen, dass es ein modernes, sympathisches Land ist“, sagt die gebürtige Münchenerin, die in Saarbrücken Kulturwissenschaften studiert hat. Seit September ist sie im Dienst der deutsch-französischen Beziehungen im Einsatz – fast schon ein Notdienst, denn um die Kenntnisse der jeweiligen Nachbarsprache ist es in beiden Ländern eher schlecht bestellt.

Der Direktor der Grundschule, Frédéric Luparello, weiß davon ein Lied zu singen. „Meine zwei Kinder haben als erste Fremdsprache Spanisch statt Deutsch gewählt, weil Deutsch für sie keinen Sinn ergibt“, fasst er den Trend unumwunden zusammen. „Es klingt zwar hart, aber es ist so: Deutschland lässt uns nicht mehr ins Schwärmen geraten.“ Die Zahlen geben Luparello recht. Trotz 50 Jahre deutsch-französischer Freundschaft ist der Deutschunterricht in den französischen Schulen kontinuierlich zurückgegangen. Diese Feststellung rief vor zwölf Jahren Kurt Brenner auf den Plan. „Damals lernten nur mehr gut 8 Prozent der französischen Schüler Deutsch als erste Fremdsprache“, sagt der energische Mann mit den grau melierten Haaren. „So kam die Idee auf, den Deutschunterricht zu verjüngen und engagierte, diplomierte Muttersprachler in die Schulen zu schicken, um Deutsch wieder attraktiv zu machen.“

Im Januar 2001 schlug die Geburtsstunde des „Deutschmobils“, dessen Präsident Brenner heute ist – eine Aktion, die größtenteils von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert wird, während Mercedes- Benz die Fahrzeuge stellt. Heute sind insgesamt zehn dieser Kleinbusse in ganz Frankreich unterwegs. Mehr als eine Million Straßenkilometer haben sie inzwischen zurückgelegt und rund 700 000 französische Schüler kontaktiert. Die Schüler, die Friederike Engel an diesem Tag besucht, müssen bis zum Sommer entscheiden, was sie im kommenden Jahr als erste Fremdsprache wählen.

Im Chor wird schon nach der ersten halben Stunde Unterricht auf Deutsch bis zehn gezählt und nach Dingen gesucht, die die Kinder von Deutschland kennen. Dann zückt Engel selbst gebastelte Karten mit Fotos, die die Kinder zusammenbringen müssen: Brandenburger Tor und Eiffelturm, Haribo-Bärchen und Baguette, Angela Merkel und François Hollande. „Die kleinen Franzosen wissen oft nicht viel über Deutschland, viele zögern auch, Deutsch zu lernen, weil es noch immer als schwere Sprache gilt“, sagt sie. „Wenn ich ihnen Bilder von Deutschland zeige, weckt das ihr Interesse, und sie merken auch, dass Deutsch gar nicht so schwer sein kann, weil sie mich ja verstehen.“

Am Ende der Stunde ist dann doch der eine oder andere plötzlich überzeugt. „Ich habe Lust bekommen, nach Berlin zu gehen“, sagt Anna, während die kleine Lara ihr Interesse für die deutsche Küche entdeckt hat: „Ich möchte gern Wurst und Sauerkraut probieren.“ Der zehnjährige Farès wiederum hat sich jetzt schon für Deutsch entschieden: „Ich habe große Lust, die Sprache zu lernen. Deutschland ist berühmt für seine Industrie, seine Autos, in zehn Jahren werden dort bestimmt Ingenieure gebraucht.“

Von unserer Pariser Korrespondentin Sylvie Stephan