NSU-Prozess: Vorsitzender Richter ist verantwortlich für das Akkreditierungschaos

München. Margarete Nötzel wusste, dass sich an diesem denkwürdigen Tag alle Kameras auf sie richten würden. Sie wusste, dass sie in jeder Nachrichtensendung zu sehen sein würde. Und vor allem: Die Sprecherin des Münchener Oberlandesgerichts (OLG) wusste vor der Pressekonferenz zur Verschiebung des NSU-Prozesses, dass die Fragen nur so auf sie einprasseln würden.

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„Mir war klar, dass die Fragen kommen – und die sind ja auch mehr als berechtigt“, sagt die 58 Jahre alte Juristin am Tag danach. Nur: Sie konnte am Montag auf die allerwenigsten Fragen eine Antwort geben – weil sie selbst vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl keine Informationen bekommen hatte.

Götzl und der 6. Strafsenat hatten zuvor entschieden, dass der Beginn des NSU-Prozesses verschoben wird, weil das gesamte Akkreditierungsverfahren für Journalisten noch einmal neu gestartet werden müsse. Doch wie das neue Verfahren ablaufen wird, wann es beginnt – darüber haben sich Götzl und sein Senat entweder noch keine Gedanken gemacht. Oder sie haben die Pressesprecherin, die ja für sämtliche Medienfragen und -anfragen zuständig ist und die seit Wochen im Kreuzfeuer steht, einfach ohne Infos an die Front geschickt.

Nötzel scheint sich – so der Eindruck nach der Pressekonferenz – damit abgefunden zu haben, dass Götzl seine Entscheidungen allein oder allenfalls zusammen mit seinem Senat trifft. Und dass sie – neben OLG-Präsident Karl Huber – dafür öffentlich den Kopf hinhalten muss. „Genau so ist der Plan, dass der Vorsitzende die Entscheidungen trifft und ich als Pressesprecherin des Gerichts diese Entscheidungen in der gebotenen Art und Weise und so schnell wie möglich an Sie transportiere. Das ist die Arbeitsteilung“, sagt Nötzel freimütig. Und: „Er wird mich informieren, wenn neue Entscheidungen getroffen worden sind, die ich kommunizieren kann.“

Die Gerichtssprecherin ist damit nur die Botin Götzls – andererseits aber steht die erfahrene Juristin auf einer Stufe mit ihm: Nötzel, die seit 1998 Richterin am OLG ist, leitet seit Juli 2011 als Vorsitzende Richterin den 3. Strafsenat. Gerichtssprecherin ist sie seit 2005.

Nötzel ist aber nicht nur Botin für Götzl. Er gibt seiner Kollegin und deren Team jetzt auch eine Mitschuld an der Verschiebung des NSU-Prozesses – weil es bei der Akkreditierung einige Ungereimtheiten gab, die auch das Bundesverfassungsgericht sah. Beispielsweise habe die Pressestelle „einzelnen Medienvertretern bereits vorab die voraussichtliche Berücksichtigung der Akkreditierung nach der Reihenfolge der Eingänge mitgeteilt“, heißt es in einem Vermerk Götzls zu der Verschiebung des Termins.

Dabei ist es Götzl, der für das Akkreditierungsverfahren die Hauptverantwortung trägt. Er hat entschieden, dass das sogenannte Windhundverfahren angewendet wird und dass es kein spezielles Kontingent für ausländliche Journalisten gibt. Dass türkische und andere ausländische Medien bei der Vergabe der Plätze nach der Reihenfolge des Eingangs benachteiligt sein könnten, kam ihm entweder nicht in den Sinn – oder er nahm es sehenden Auges hin.

Von Christoph Trost