Kommentar: Mit Schavan verliert Merkel einen wichtigen Seismografen

Schavan ist viel zu lange im politischen Geschäft, als dass sie nicht wüsste, wann die Zeit gekommen ist, ein Amt aufzugeben. Zu viele Kollegen hat sie an ihren Sesseln kleben und dann doch gehen sehen. Ihr selbst gelang es, den eigenen unfreiwilligen Abgang selbst zu steuern und würdevoll zu gestalten.So geht sie erhobenen Hauptes, und ihr wird zu Recht viel Gutes hinterhergerufen.

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Schavan ist viel zu lange im politischen Geschäft, als dass sie nicht wüsste, wann die Zeit gekommen ist, ein Amt aufzugeben. Zu viele Kollegen hat sie an ihren Sesseln kleben und dann doch gehen sehen. Ihr selbst gelang es, den eigenen unfreiwilligen Abgang selbst zu steuern und würdevoll zu gestalten. So geht sie erhobenen Hauptes, und ihr wird zu Recht viel Gutes hinterhergerufen.

Mit ihrem Rücktritt hat Schavan der Kanzlerin einen letzten Dienst erwiesen. Im Wahljahr kann die Union keine Forschungsministerin gebrauchen, die sich vor Gericht mit einer Hochschule um ihren Doktortitel streitet und für die jeder öffentliche Auftritt zum Spießrutenlauf wird. Eine Bildungsministerin, der offiziell der Doktortitel aberkannt wurde, kann die Wörter Exzellenz und Spitzenförderung kaum noch im Munde führen, ohne dass sich Häme erhebt. Schavan war zum Glück klug genug, dies zu erkennen. Dafür gebührt ihr Respekt, zumal sie sich zutiefst ungerecht behandelt sieht.

Für Merkel ist Schavans Abgang bitter. Mit Schavan verliert die Kanzlerin eine Weggefährtin, die ihr den Rücken freigehalten hat, vermitteln konnte zwischen Fraktion und Regierung oder auch mal ihre Kabinettskollegen diskret zur Ordnung rufen konnte, wenn die Kanzlerin zu viel um die Ohren hatte. Fachlich wird Schavan mit der erfahrenen Landes-Wissenschaftsministerin Johanna Wanka gut ersetzt. Schavans politisches Gespür, ihr pragmatisches Vorgehen in Konflikten und ihre Seismografen- Funktion für die Kanzlerin kann keiner so rasch übernehmen.

Die Opposition konnte es sich leisten, sich im Fall Schavan zahm zu geben. Es war überhaupt nicht nötig, den Finger noch einmal in die Wunde zu legen. Zu sehr zeigte die Kanzlerin selbst, wie stark sie der Verlust ihrer loyalen Ministerin traf. Formal ist keine Regierungskrise eingetreten, da das Bildungsministerium zu den weniger bedeutenden Häusern gehört und geräuschlos nachbesetzt werden kann. In der öffentlichen Wahrnehmung aber erodiert die Regierung Merkel zusehends. Die liberalen Minister haben sich fast alle selbst ins Aus katapultiert. Die Reihen der Union wirken blass und müde vom Kampf untereinander.

Die Wahlen in Niedersachsen wiederum haben gezeigt, dass es für den Regierungserhalt eben nicht reicht, wenn der Spitzenkandidat glänzt. So beliebt Merkel im Volk auch ist, als Solitär wird sie die Bundestagswahl nicht gewinnen können.

E-Mail: eva.quadbeck@rhein-zeitung.net