Interview: Warum Trump auf Nixons Spuren wandelt

David Sirakov
David Sirakov Foto: dpa

Donald Trump wandelt auf den Spuren des 1974 wegen der Watergate-Affäre zurückgetretenen US-Präsidenten Richard Nixon, sagt Dr. David Sirakov, Leiter der Atlantischen Akademie in Kaiserslautern. Anders als Nixon könnte Trump aber politisch überleben, meint er.

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Anwalt Michael Cohen hat ausgesagt, dass er in Trumps Auftrag Schweigegeld wegen zweier Affären des Republikaners mit Frauen gezahlt hat. Gegen jeden normalen Amerikaner würde jetzt wegen Anstiftung zu einer Straftat ermittelt – auch gegen den Präsidenten?

Da gibt es unterschiedliche juristische Interpretationen. Die US-Verfassung schließt das nicht aus. Aber es gibt eine alte Weisung des Justizministeriums, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden darf. Die einzige Möglichkeit bleibt ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment). Doch vor den Kongresswahlen im November sehe ich auch dafür keine Chancen, da die Republikaner in beiden Häusern die Mehrheit haben.

Dennoch nennen US-Medien Cohens Aussagen eine Bombe. Warum?

Weil Trump dadurch zum Ziel der Ermittlungen von Sonderermittler Robert S. Mueller werden könnte. Noch im April hat US-Vizejustizminister Rod Rosenstein Trump versichert, dass dieser kein Ziel ist. Das könnte sich jetzt ändern, weil Cohen Trump der Anstiftung zu einer Straftat bezichtigt. Es könnte dazu führen, dass Trump einer Befragung durch Mueller eher zustimmen muss. Denn der Druck wächst. Er wird versuchen, die Vorwürfe zu entkräften. Das wird allein über Twitter aber nicht funktionieren.

Und Cohen will mit Mueller auch über die Russland-Affäre reden.

Möglicherweise. Cohen hat sich ja nicht ohne Grund schuldig bekannt. Er will einen Deal aushandeln. Und deshalb wird er weiter kooperieren. Für das Trump-Team ist das eine sehr schwierige Lage: Cohen weiß sehr viel, weil er sehr lang für Trump gearbeitet und vor allem die schmutzigen Deals gelöst hat. Und sie werden sich fragen, wie viel Cohen von den Unterredungen mit Trump aufgezeichnet hat. Das wird für den US-Präsidenten zu einer großen Gefahr. Denn bislang stand immer Aussage gegen Aussage. Alle Vorwürfe wurden als Fake News, als Lüge dargestellt. Doch wenn der Gegner darauf mit einer Aufzeichnung reagiert, wird Trump dadurch zunehmend entzaubert.

Wie wird Trump reagieren?

Trump ist auf beispiellose Weise unberechenbar. Daher ist mit allem zu rechnen. Es könnte sein, dass sich Trump von Mueller befragen lässt, um seine Sicht der Dinge darzustellen. Da jedoch mehr und mehr klar wird, dass Trump zum Ziel der Ermittlungen wird, könnte er auch den Weg gehen, den Ex-Präsident Richard Nixon eingeschlagen hat: jemanden im Justizministerium finden, der Sonderermittler Mueller feuert. Es gibt Aussagen von Trump, dass er keinen Grund sieht, die Ermittlungen zu stoppen, solange er nicht das Ziel ist. Sollte sich das ändern, würde er dies aber sehr wohl tun. Trump selbst darf das nicht, Rosenstein wird das nicht tun, Minister Jeff Sessions ist wegen Befangenheit nicht mit dem Fall befasst. Trump muss Rosenstein also feuern und jemanden suchen, der Mueller für ihn entlässt. So hat es Nixon auch gemacht. Für ihn war das aber der Auslöser für seinen späteren Rücktritt. Doch wer weiß? Trump hat schon einiges überlebt. Und beide teilen die seltsame Ansicht, dass alles, was der Präsident entscheidet, rechtens ist. Beide eint eine Geringschätzung der Gewaltenteilung. Das zeigen Trumps Angriffe auf das FBI.

Könnte die Kongresswahl im November den Weg für ein Amtsenthebungsverfahren frei machen?

Dafür müssten die Demokraten die Mehrheit in beiden Häusern gewinnen. Im Repräsentantenhaus ist das möglich, im Senat eher unwahrscheinlich. Und die Demokraten werden das Wort „Impeachment“ im Wahlkampf nicht in den Mund nehmen, weil man ihnen dann zu Recht vorwerfen kann, dass ihr einziges Programm darin besteht, gegen Trump zu sein. Das reicht nicht, um eine Wahl zu gewinnen. Das hat man schon 2016 gesehen. Und die Demokraten werden sich genau überlegen, ob sie ein Impeachment überhaupt wollen. Wäre es erfolgreich, würde Mike Pence Präsident. Das könnte für die Demokraten mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020 weitaus gefährlicher sein, weil er ein erzkonservativer Politiker ist, der allerdings nicht ständig neue Skandale produziert.

Das Gespräch führte Christian Kunst