Rheinland-Pfalz

Hinter jedem bürokratischen Dokument steht ein zerstörtes Leben

Maria Winterstein wurde im Mai 1941 nach Polen deportiert - ein Schicksal von vielen. 
Foto: B. Essling
Maria Winterstein wurde im Mai 1941 nach Polen deportiert - ein Schicksal von vielen. Foto: B. Essling

„Es wird Ihnen sicher bekannt sein, dass vor ungefähr 14 Tagen ein Zigeuner-Transport abging. Unter diesen Zigeunern befand sich meine Arbeitskollegin Fräulein Margarete Herzstein, 19 Jahre alt“, schreibt eine Frau im April 1943 an das Polizeipräsidium Berlin, Dienststelle für Zigeunerfragen.

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Rheinland-Pfalz – „Es wird Ihnen sicher bekannt sein, dass vor ungefähr 14 Tagen ein Zigeuner-Transport abging. Unter diesen Zigeunern befand sich meine Arbeitskollegin Fräulein Margarete Herzstein, 19 Jahre alt“, schreibt eine Frau im April 1943 an das Polizeipräsidium Berlin, Dienststelle für Zigeunerfragen.

Das Anliegen der Kollegin: Sie will ihr Kleid wiederhaben, das sie Margarete Herzstein geborgt hat. Die Beschreibung des Kleides: dunkelblau, hochgeschlossen, mit weiß besetztem und weitem Rock. Die 19-Jährige war auf dem Weg in das Konzentrationslager in Auschwitz. Sie kam nie zurück.

Solche auf den ersten Blick fast schon banalen Dokumente machen eine Ausstellung, die derzeit im Foyer und im ersten Stock des rheinland-pfälzischen Landtags zu sehen ist, so eindrucksvoll. Der Titel der Sammlung: „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma.“

Die Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutsche Sinti und Roma wurde bislang in 60 deutschen Städten gezeigt. Sie zeichnet erstmals die Geschichte der Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus nach. Dabei zeigt sie die Menschen, die zu Opfern wurden, gibt ihnen mit alten Familienbildern ein Gesicht. Und zugleich dokumentiert die Ausstellung die bürokratische Vernichtung. Der Besucher spürt, wie viele zerstörte Lebenswege sich hinter den kalten Dokumenten verbergen. Gerade so ein einfacher Brief, wie ihn die Frau geschrieben hat, die ihr Kleid zurückwollte, zeigt, wie weit die Entmenschlichung in Hitler-Deutschland ging.

Ein Bild zeigt eine Mitarbeiterin der „rassenhygienischen Forschungsstelle“. Die Szene wirkt idyllisch. Eine blonde Dame im weißen Kittel vermisst eine Sinti-Frau. Der Rachen, die Nasenlöcher, die Augenbrauen, die Augenweite, die Ohren, einfach alles wird ausgemessen. Was zunächst harmlos erscheint, war in Wahrheit die pseudo-wissenschaftliche Basis für den Massenmord an unzähligen Sinti und Roma.

Z Die Ausstellung ist im Landtag bis zum 3. Februar zwischen 9 und 17 Uhr zu sehen. Am heutigen Freitag allerdings nur eingeschränkt. Führungen unter: 06131/208 24 96.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück