Geht bei der FDP noch mehr? Liberale Generalsekretär Lindner wirft Handtuch – Parteichef Rösler wackelt

Berlin/Rheinland-Pfalz. Nach dem Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner (32) fordert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Volker Wissing ein Ende der „internen Debatten“ in seiner Partei. „Wir müssen aufhören, uns ständig mit uns selbst zu beschäftigen. Wir sind eine Regierungspartei, von der die Bürger erwarten, dass sie handlungsfähig ist.“ Angesichts der „schwersten Krise Europas“ müssten die Liberalen „die Ärmel hochkrempeln und unsere Hausaufgaben machen“.

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Berlin/Rheinland-Pfalz. Völlig überraschend und ohne nähere Angaben von Gründen hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner (32) seinen Rücktritt erklärt. „Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen“, sagte er nur und ließ keine Nachfragen zu.

Die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen hätten ihn bestärkt, diesen Schritt zu gehen. Parteichef Philipp Rösler könne nun mit einem neuen Generalsekretär und „neuen Impulsen“ die Bundestagswahl vorbereiten. Das Verhältnis der beiden galt schon länger als angespannt.

Rösler, der zunächst nur wortkarg dem noch von Guido Westerwelle installierten Lindner dankte, stellte am Abend seinen neuen Wunsch-„General“ vor: den stellvertretenden FDP-Fraktionschef Patrick Döring (38) aus Niedersachsen. Der bisherige Bundesschatzmeister sagte, er fühle sich geehrt und lasse sich gern „in die Pflicht nehmen“. Die Fahne der „stolzen liberalen Partei“ müsste spätestens beim Dreikönigstreffen Anfang Januar „wieder aufgerichtet werden“.

Die Entscheidung für Lindners Nachfolge war zunächst erst für Freitag erwartet worden. Dann will das Parteipräsidium über die Ergebnisse des Mitgliederentscheids über den künftigen Euro-Kurs der Partei beraten. Wegen des Umgangs mit diesem Entscheid waren zuletzt Rösler wie Lindner in die Kritik geraten. Während Rösler jetzt mit geschlossenen Reihen „nach vorn schauen“ will, wächst aber auch der Druck auf ihn. Alt-Liberale wie Ex-Bundesinnenminister Gerhard Baum oder der frühere Mainzer Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage fordern den radikalen Schnitt und die personelle Neuaufstellung der Partei rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2013 und der nächsten Landtagswahl im Mai in Schleswig-Holstein. Sie sehen die bei 3 Prozent dümpelnde Partei in ihrer schwersten Krise. Viele Beobachter rechnen in Berlin wie im Land damit, dass Rösler sich nicht halten kann und Fraktionschef Rainer Brüderle den Parteivorsitz übernehmen muss. Aber der zeigte sich am Mittwoch demonstrativ an Röslers Seite und drängt sich nicht nach vorn.

„Der Rücktritt von Christian Lindner kam für mich völlig überraschend“, sagte Brüderle lediglich. Er bedauere Lindners Entscheidung „in dieser Situation, aber die FDP wird mit Teamgeist diese schwierige Phase meistern. Philipp Rösler hat meine Unterstützung.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Volker Wissing forderte ein Ende der „internen Debatten“ in seiner Partei. „Wir müssen aufhören, uns ständig mit uns selbst zu beschäftigen. Wir sind eine Regierungspartei, von der die Bürger erwarten, dass sie handlungsfähig ist.“ Angesichts der „schwersten Krise Europas“ müssten die Liberalen „die Ärmel hochkrempeln und unsere Hausaufgaben machen“.

Nach Ansicht der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Lindners Rücktritt keine negativen Auswirkungen für den Fortbestand der schwarz-gelben Koalition: „Ich glaube, dass wir in der Regierung völlig unbeschadet davon zusammenarbeiten können.“

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielt Merkel hingegen vor: „Die Regierung ist im Augenblick dabei, Ihnen um die Ohren zu fliegen.“ Die FDP sei unfähig, die für Deutschland und Europa nun nötigen Entscheidungen mitzutragen. Nach Ansicht der Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke beschleunigt Lindners Rücktritt die Selbstzerstörung der FDP.

Von Rena Lehmann und Ursula Samary