Rheinland-Pfalz

Die MinisterInnen-Riege: Ein vertrautes Team

Sie strahlte: Malu Dreyer genoss den Tag in vollen Zügen. Um 12.33 Uhr war die Sozialdemokratin Ministerpräsidentin der ersten Ampelkoalition in einem bundesdeutschen Flächenland, wenige Minuten später ernannte sie zum ersten Mal ihr eigenes Kabinett. „Es ist ein ganz besonderes Vergnügen, die bunte Reihe zu sehen“, sagte sie, “das gilt sowohl für die Parteien als auch für die Kleider.“

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Von unserer Mitarbeiterin Gisela Kirschstein

Regierungschefin Malu Dreyer (55) hat gut lachen: Strategisch klug hat sie den erfolgreichen Wahlkampf geplant und geräuschlos eine Ampelkoalition geschmiedet. Wie schon bei ihrer radikalen Kabinettsumbildung 2014 hat sie jetzt an den Spitzen von Mittelbehörden gezeigt, dass sie notfalls auch mit harten Personalschnitten durchgreift. Da die parlamentarische Mehrheit für die Ampel nicht allzu üppig ist, wird dies alle drei Partner disziplinieren – nicht nur vor der Bundestagswahl. Nebenbei ist zu beobachten, wie Dreyer ihre Kontakte nach Berlin ausbaut. Die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley stammt aus ihrem Wohnort Trier – und die hat Dreyers Vertraute aus der Staatskanzlei, Juliane Seifert, als Bundesgeschäftsführerin ins Willy-Brandt-Haus geholt, damit sie den Bundestagswahlkampf managt.

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Als Superminister und stellvertretender Ministerpräsident kehrt der FDP-Landesvorsitzende Volker Wissing (46) nach Mainz zurück, wo er vor seiner Karriere als Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion persönlicher Referent des damaligen Justizministers Herbert Mertin war. Der Jurist baute sich nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag in Landau eine Anwaltskanzlei auf. Als Spitzenkandidat schaffte er es jetzt, die FDP in Landtag und Regierung zurückzuführen. In den Verhandlungen mit den rot-grünen Partnern konnte er wichtige FDP-Positionen durchsetzen. Seine Staatssekretäre werden die Managerin der Mainzer Volksbank, Daniela Schmitt (43), und Rechtsanwalt Andy Becht (41) aus Bellheim/Pfalz.

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Der SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz (53) bleibt Minister für Inneres und Sport. Die Zuständigkeit für den Verkehr gibt er an den künftigen Wirtschafts- und Verkehrsminister Volker Wissing ab. Lewentz soll aber weiter den Verkauf des defizitären Hunsrück-Flughafens Hahn vorantreiben, erhält auch die Verantwortung für die Landesplanung. Ein Herzensanliegen konnte der Vollblutpolitiker aus Kamp-Bornhofen mit der FDP im Koalitionsvertrag verankern: die bisher von den Grünen blockierte Mittelrheinbrücke. Jetzt ist allerdings noch die Finanzierung zu klären. Seine Staatssekretäre bleiben Günter Kern (59, Amtschef) und Randolf Stich (50). Sein Ministerialdirektor Thomas Linnertz wird neuer Chef der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD).

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Doris Ahnen (51), wichtige Vertraute von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, bleibt Chefin im Finanz- und Bauministerium, das sie bei Dreyers Kabinettsumbildung 2014 übernommen hat. Die Mainzerin, die zuvor das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 13 Jahre lang führte, gilt als Aktenfresserin. Sie hat sich Respekt verschafft, weil sie sich schnell (und auch fragend) einarbeitete und vor Spitzen der Steuerverwaltung keine fachliche Blöße zeigte. Daher gilt sie als Beweis dafür, dass sich Politiker schnell in eine neue Materie einarbeiten können. Quereinsteigern gelingt dies aber nicht immer. Neuer Staatssekretär wird der bisherige Büroleiter und Jurist Stephan Weinberg (40), der seit 2004 in der Steuerverwaltung des Landes tätig ist

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Die Diplom-Agraringenieurin Ulrike Höfken (60) bleibt Umweltministerin, muss aber die größte Verantwortung für Landwirtschaft und Weinbau an Wirtschafts- und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) abgeben. Ihr bleibt die Aufgabe, EU-Fördergelder an Ökobauern und Ökowinzer zu verteilen. Hinzu kommt neue Verantwortung für Energie sowie den gesundheitlichen Verbraucherschutz aus dem Justizressort. Da auch Forsten und Naturschutz weiter zum Umweltressort gehören, kann sich Höfken weiter um die Zukunft im Nationalpark Hunsrück-Hochwald kümmern, den sie beharrlich gegen Widerstände, aber heute zur Freude der Region zusammen mit dem Saarland durchgesetzt hat. Ihr Staatssekretär bleibt Thomas Griese (59).

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Der bisherige Präsident der Hochschule Kaiserslautern (54) ist ein intimer Kenner der Wissenschaftsszene und entspricht damit dem Profil, das Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für die Besetzung dieses Hauses vorschwebte. Von Kulturpolitik hat er allerdings wenig Ahnung. Da wird er sich einarbeiten müssen. Der Franke hat einen fast schon klassischen sozialdemokratischen Weg hinter sich, obwohl er gar nicht in der Partei ist. Er machte eine Ausbildung im Elektrohandwerk, studierte Physik und arbeitete für Siemens, bis er 2001 an die FH Kaiserslautern in Zweibrücken ging. Sein Staatssekretär ist Salvatore Barbaro (41, SPD), der aus dem Finanzministerium in das neue Haus wechselt. Er war selbst für den Chefposten gehandelt worden

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Die 41-jährige Diplom-Verwaltungswirtin darf nun in ihre zweite Amtszeit als Sozialministerin gehen. Ihr Haus bleibt weitgehend unverändert. Die Westerwälderin amtierte von 2002 bis 2014 als Bundestagsabgeordnete. Bundesweite Bekanntheit erreichte sie als Bundesdrogenbeauftragte von 2005 bis 2009. Sie ist ein tatkräftiger, zupackender Politikertyp und gehört zu den Nachwuchshoffnungen der Sozialdemokraten im Land. Bätzing-Lichtenthäler ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Staatssekretär bleibt David Langner (40). In der SPD wird darüber spekuliert, dass er 2017 als Kandidat für die anstehende Oberbürgermeisterwahl in Koblenz antreten könnte.

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Die anerkannte Juristin (47), zuletzt Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, ist die große Überraschung im Kabinett. Als Nachfolgerin von Vera Reiß betritt sie politisches Neuland. Aber das Kita- und Schulressort interessiere sie auch deshalb sehr, weil es ursozialdemokratisch „ganz viel mit Gerechtigkeit zu tun hat“. In Mainz war sie bereits in der Staatskanzlei tätig und leitete zuletzt die Strafrechtsabteilung (2009 bis 2014) im Justizministerium. In dieser Position vermied sie auch bei brisanten Nürburgring-Ermittlungen gegen Ex-Minister Ingolf Deubel (SPD) jeden Anschein, sich politisch einmischen zu wollen. Sie gilt als durchsetzungsstark wie umgänglich. Bildungsstaatssekretär bleibt Hans Beckmann (57), der seit 2012 im Amt ist.

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Nach zehn teils höchst skandalträchtigen Jahren von SPD-Justizministern kehrt der Koblenzer FDP-Politiker Herbert Mertin (58) ins Ministerium zurück, das er bereits von 1999 bis 2006 leitete. Personell dürfte er es kaum wiedererkennen, zumal es im Zuschnitt auch um Versorgungsstellen erweitert wurde. Die Justiz weiß, was sie an ihm hat. Mit der absoluten Mehrheit der SPD hatte er 2006 das Amt verloren, führte danach überparteilich anerkannt die FDP-Landtagsfraktion, bis die im Sog der Bundes-FDP 2011 aus dem rheinland-pfälzischen Landtag flog. Seitdem arbeitete Mertin wieder als Anwalt. Sein Staatssekretär wird der aus einer Bad Kreuznacher Juristenfamilie stammende Philipp Fernis (33, FDP), der bisher im Statistischen Bundesamt tätig war.

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Die 35-jährige Grünen-Politikerin ist die jüngste in der Ministerriege. Die Pfälzerin amtierte seit 2011 als Vizefraktionschefin im Landtag. Sie beerbt Integrationsministerin Irene Alt, die sich nach interner und externer Kritik zurückzog. An der Basis war Alt beliebt. Anne Spiegel tritt in dieser Hinsicht in große Fußstapfen. Bevor sie hauptamtlich in die Politik ging, arbeitete Spiegel als Sprachlehrerin. Sie gilt als clever und gut organisiert, muss sich in ihrem Amt aber erst Respekt verschaffen, da ihr Verwaltungserfahrung fehlt. Spiegel hat Politik, Philosophie und Psychologie studiert. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Ihre Staatssekretärin wird Christiane Rohleder (47), bisher Referatsleiterin im Bundesverbraucherschutzministerium.

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Der Westerwälder Hendrik Hering (52) ist am 18. Mai zum neuen Landtagspräsidenten gewählt worden. Der Ex-Wirtschafts- und Verkehrsminister sowie Ex-Fraktionschef hat sich in der Kampfabstimmung um dieses Amt in der Fraktion gegen Ex-Justizminister Jochen Hartloff durchgesetzt. Nach Absprachen mit anderen Fraktionen erhält er zwei Vize: Barbara Schleicher-Rothmund (57, SPD) und Hans-Josef Bracht (61, CDU). Schleicher-Rothmund, bereits Landtagsvize, soll in zwei Jahren die Nachfolge des Bürger- und Polizeibeauftragten Dieter Burgard (61) übernehmen. Neu für die drei erfahrenen Parlamentarier: ein Landtag mit fünf Fraktionen.

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Fünf Ministerinnen und vier Minister hat Dreyer in ihrem Kabinett, fünf von der SPD und je zwei von FDP und Grünen. Am 16. Januar 2013 beerbte Dreyer Kurt Beck als Ministerpräsidentin, dass sie am 18. Mai 2016 tatsächlich ihr erstes eigenes Kabinett vorstellen würde – Dreyer weiß, wem sie das mit zu verdanken hat: „Im November haben wir das hier noch nicht gewusst“, sagte sie zu Roger Lewentz, SPD-Landeschef und maßgeblicher Wahlkampfstratege, „umso schöner ist jetzt die Zusammenarbeit.“

Lewentz bleibt Innenminister, der Verkehr allerdings geht an den neuen starken Mann im Kabinett: Volker Wissing, FDP-Landeschef, und nun Wirtschaftsminister sowie Stellvertretender Ministerpräsidenten. „Ich freue mich, dass du mein neuer Stellvertreter wirst“, sagte Dreyer zu ihm. Sie hoffe sehr, dass „wir sagen können, wir sind ein tolles Team und bringen diesem Land Fortschritt und Sicherheit.“

Wissing bekannte, eigentlich sei er vor allem müde. Das sei jetzt der Entspannung nach den hektischen Wochen geschuldet, entschuldigte er sich – und dem Ischiasnerv seiner Frau. Die begleitete ihren Mann deshalb auch nicht nach Mainz, auch Wissings Tochter war ganz normal in der Schule. „Ich möchte da keine Sonderrolle“, wehrte er bescheiden ab.

Comeback für Herbert Mertin

Andere standen mit leuchtenden Augen in den Räumen der Staatskanzlei. „Es ist ein schöner und besonderer Tag, auch wenn man es schon zweimal mitgemacht hat“, sagte der Wieder-Justizminister Herbert Mertin (FDP), „eine gute Zusammenarbeit in bewährter Weise“, wünschte Dreyer. Ein „vertrautes Team“ sei sie ja auch mit der bleibenden Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne).

„Ich bin nur noch überwältigt“, bekannte Anne Spiegel hingegen, „ich halte wirklich diese Urkunde in der Hand.“ Die 35-jährige Grüne wird Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz. „Das ist ein großer Schritt, ich freue mich liebe Anne“, sagte Dreyer. Neu ist auch Stefanie Hubig (SPD) als Bildungsministerin, „ich freue mich, dass du das Amt angenommen hast“, begrüßte sie Dreyer.

Beitritt des Ministers zur SPD „nicht ausgeschlossen“

Konrad Wolf, der neue Wissenschaftsminister, bekannte am Rande, er fühle sich in der SPD „sehr wohl“, späterer Beitritt nicht ausgeschlossen. „Herzenspfälzer“ nannte Dreyer den bisherigen Präsidenten der Hochschule Kaiserslautern bei seiner Ernennung. Im Amt bleiben Sabine Bätzing als Sozialministerin, „viel Kraft, viel Erfolg“, wünschte ihr Dreyer. Und dann ist da noch Doris Ahnen (SPD), dass sie Finanzministerin bleibe, sei „schön für mich, schön für den Haushalt und das ganze Team“, sagte Dreyer, „das wird eine tolle Zeit“.