Contra: Günter Krings

Hunderttausende Menschen demonstrieren gegen die Erweiterung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Sie tragen Plakate, auf denen „Ja zur Familie“ oder „Eine Familie = 1 Papa + 1 Mama“ steht. Solche Bilder erreichten uns in den vergangenen Wochen aus Frankreich, wo gegen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare demonstriert wurde.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Auch in Deutschland führen wir eine Diskussion über das Verhältnis von Ehe, Familie und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht über das Sukzessivadoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare, die sich in einer Lebenspartnerschaft zusammengeschlossen haben. Nun urteilt Karlsruhe über die Frage, ob ein Lebenspartner das bereits adoptierte Kind des Partners gleichfalls adoptieren kann.

Über diesen Spezialfall hinaus stellt sich aber die grundlegende Frage: Sollte die Adoption auch eingetragenen Partnerschaften offenstehen? Geht man konsequent vom Kindeswohl aus, ist festzustellen, dass kein wirklicher Bedarf für die Öffnung der Adoption existiert. Seit Jahrzehnten besteht in Deutschland ein deutlicher Bewerberüberhang, es gibt also mehr adoptionswillige Ehepaare als zur Adoption freigegebene Kinder. Auf zwei Kinder kommen neun Bewerber. Die Adoption ist eben kein Instrument zur Abhilfe bei Kinderlosigkeit, sondern Hilfe für geborene Kinder, die ihre Eltern verloren haben.

Das Wohl dieser Kinder muss oberster Maßstab sein. Aus ihrer Perspektive ist zu argumentieren und nicht aus Sicht der Partnerschaften mit Kinderwunsch. Es gibt keinen Anspruch auf Elternschaft. Es ist unbestritten, dass adoptierte Kinder in ihrer schwierigen Situation ein Umfeld benötigen, das die Konfliktsituation des Kindes bezüglich seiner Herkunft und Identität nicht verstärkt. Forderungen nach einem höheren Männeranteil bei Kindergärtnern und Grundschullehrern zeigen exemplarisch, dass Kindern verschiedene Rollenbilder guttun.

Bisher gibt es keine Studien, die belastbare Aussagen zur Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften treffen. Das spricht zwar nicht aus Sicht der Adoptionswilligen, aber sehr wohl aus Sicht der Kinder dagegen, mit einer ganz neuen Form der Elternschaft, die von ihrer Struktur her grundverschieden ist von der natürlichen Elternschaft, zu experimentieren.

Allerdings wirft die Debatte auch grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft auf. Gesellschaftliche Verhältnisse und Formen des Zusammenlebens wandeln sich. Etwa 35 Millionen verheiratete Menschen leben in Deutschland, und in etwa 90 Prozent dieser Ehen wachsen einmal Kinder auf. Dem gegenüber stehen etwa 23 000 Eingetragene Lebenspartnerschaften – die allerdings über eine starke Stimme verfügen. Die mediale Aufmerksamkeit für ihre Anliegen steht oft nicht in einem realistischen Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Fragen gerade im Kontext von Ehe und Familie – wie etwa die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Politik hat auf die gesellschaftlichen Entwicklungen flexibel, aber behutsam zu reagieren. Jeder Mensch muss die Form des Zusammenlebens wählen können, die seinem Lebensentwurf entspricht.

Glücklicherweise leben wir heute in einer Gesellschaft, in der dies unproblematisch möglich ist. Aus politischer Sicht stellt sich jedoch die Frage, welche Formen des Zusammenlebens der Staat besonders fördern sollte. Die Interessen der Ehepaare und Familien sind aus meiner Sicht besonders zu berücksichtigen. Das sieht auch das Grundgesetz so, das Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

Dort, wo es noch echte Diskriminierungen zulasten Homosexueller gibt, sind sie zu beseitigen. Nicht jeder Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist aber eine Diskriminierung. Entscheidend ist der Blick auf den jeweiligen Lebenssachverhalt. Einige mögen etwa im Steuerrecht nicht länger akzeptieren, dass sich das Ehegattensplitting daraus rechtfertigt, dass Ehen eben typischerweise mit dort geborenen Kindern verbunden sind, und stattdessen auf das jeweilige Einstehen von Ehe- und Lebenspartnern füreinander abstellen. Dann müssen wir aber auch die Frage beantworten, warum wir Verwandte oder auch andere Menschen, die dauerhaft zusammenleben und miteinander wirtschaften, nicht so günstig behandeln, indem wir ihnen die gemeinsame steuerliche Veranlagung verweigern.

Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass es nicht nur für homosexuelle Paare ein Bedürfnis für alternative Formen des Zusammenlebens neben der Ehe gibt. Seit 1999 gibt es dort für alle Paare einen zivilrechtlichen Vertrag, den sogenannten Pacs. Von den mehr als 200 000 geschlossenen Pacs entfallen weniger als 5 Prozent auf gleichgeschlechtliche Paare.

Statt beleidigter und beleidigender Reaktionen auf solche und andere berechtigte Nachfragen brauchen wir endlich eine sachliche und offene Diskussion über vergleichbare und nicht vergleichbare Sachverhalte in der Familienpolitik. Bei aller Buntheit unserer Gesellschaft handelt es sich bei der klassischen Familie weiterhin um den Anker des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Und es ist auch heute noch gut, wenn Kinder Vater und Mutter haben.