Rheinland-Pfalz

Behindertenbeauftragter Rösch: „Wir schaffen noch zu viele Sonderwelten“

Von Marta Fröhlich
Matthias Rösch setzt sich für behinderte Menschen ein. Foto: privat
Matthias Rösch setzt sich für behinderte Menschen ein. Foto: privat

Leichte Sprache ist für die Politik kein leichtes Thema. Die Umsetzung fällt den Behörden schwer. Deshalb stellt Matthias Rösch, der Landesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz, die barrierefreie Kommunikation in den Fokus seiner Arbeit. Im Interview mit unserer Zeitung wirbt er für mehr Verständnis und Begegnung.

Lesezeit: 3 Minuten
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Was verstehen wir unter Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit bedeutet für Menschen mit Behinderungen, Barrieren in der Umwelt, im Bau oder in der Information zu vermeiden. Barrierefreiheit ist seit 2002 im Landesbehindertengleichstellungsgesetz definiert und hat eine umfassende Bedeutung.

Wie viele Menschen in Rheinland-Pfalz betrifft es?

Etwa 10 Prozent der Menschen in Rheinland-Pfalz haben eine anerkannte Behinderung. Allerdings nützt Barrierefreiheit noch viel mehr Menschen. Zum Beispiel wenn es um Leichte Sprache geht. Wenn ich Informationen leichter aufnehmen kann, ist es für alle Menschen einfacher, Texte zu verstehen. Das betrifft Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft die Sprache nicht können, Menschen mit einer Demenz oder alle, die zu wenig Zeit haben, einen Text in Schwerer Sprache zu lesen. Dahinter steckt der Grundsatz des universellen Designs: dass man möglichst Produkte und Dienstleistungen so gestaltet, dass sie für alle Menschen gut nutzbar und zugänglich sind.

Verliert die deutsche Sprache an Qualität, wenn man sie in Leichte Sprache übersetzt?

Ich finde, die deutsche Sprache gewinnt durch Leichte Sprache. Ich kenne die Diskussion, die auch in manchen Feuilletons geführt wird. Das sei eine Vereinfachung. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Information für die Menschen mit Behinderung auch angepasst wird. Leichte Sprache wird immer bekannter. Ich merke aber auch aus der Diskussion, dass noch nicht verstanden wird, worum es dabei geht. Zum Beispiel als in Schleswig-Holstein Wahlunterlagen in Leichter Sprache verschickt wurden. Die hatten das konsequent umgesetzt. Da gab es dann harsche Vorwürfe: Man würde für blöd gehalten, wenn man diese Information so erhält. Aber eigentlich freuen sich alle darüber, wenn sie einen Bescheid bekommen, den jeder auch verstehen kann.

Ärgern Sie diese Reaktionen?

Mich ärgert, wenn man nicht verstanden hat, dass es hier um Barrierefreiheit und Menschenrechte geht und dass man Menschen mit Behinderungen nicht ausgrenzt.

Fällt es leichter zu verstehen, dass jemand eine Rampe braucht, als dass Informationen auch in Leichter Sprache verfasst sein sollten?

Ich denke, dass wir in Deutschland noch zu sehr die Sonderwelten für Menschen mit Behinderungen schaffen, wo sie unter sich sind. Wenn es mehr Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung – auch gerade Menschen mit Lernschwierigkeiten – auch schon in Schulzeiten und in der Kita gäbe, würde das viel besser verstanden. Leben wie alle mittendrin von Anfang an – das ist ja unser Leitsatz in Rheinland-Pfalz. Das ist wichtig.

Leichte Sprache ist Teil der UN-Behindertenrechtskonvention. Warum tut man sich so schwer, Aktionspläne umzusetzen?

Also der Landesaktionsplan ist schon mal in Leichte Sprache übersetzt. Wir haben auch schon viele Faltblätter wie die Merkzeichen im Behindertenausweis in Leichter Sprache. Es gibt mehr und mehr Internetseiten des Landes, die auch Leichte Sprache nutzen.

Die Landesministerien haben noch kaum etwas übersetzt.

Das stimmt. Es gibt Beispiele: Die Staatskanzlei und der Landesbeauftragte haben was, der Museumsverband Rheinland-Pfalz macht mit der Lebenshilfe ein sehr gutes Projekt, bei dem die Steckbriefe der Museen übersetzt werden. Wir brauchen aber noch die Anpassung unseres Landesbehindertengleichstellungsgesetzes. Im Landesteilhabebeirat haben wir Eckpunkte dazu erarbeitet, in denen Leichte Sprache berücksichtigt ist.

Das war bisher noch nicht Teil des Gesetzes?

Nein. Das Gesetz stammt aus 2002, und damals war das Thema Leichte Sprache noch sehr am Anfang. Es hat sich in den vergangenen Jahren sehr entwickelt, von den Übersetzungsbüros, vom Bewusstsein, von der Selbstvertretung her. Leichte Sprache als Rechtsanspruch ist auch im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz erst 2016 eingeführt worden. Eine entsprechende Regelung will ich im nächsten Jahr auch für Rheinland-Pfalz erreichen, wenn die Novellierung unseres Landesbehindertengleichstellungsgesetzes ansteht. Eckpunkte liegen bereits vor, vom Landesbehindertenbeirat verabschiedet. Unter anderem ist dort ein Rechtsanspruch auf Information in Leichter Sprache enthalten. Ab 2018 gibt es von Bundesseite her diesen Rechtsanspruch bereits.

Wie soll das in der Praxis aussehen?

Menschen mit Lernschwierigkeiten erhalten auf Verlangen Bescheide von der Bundesbehörde in Leichter Sprache. Einzelne Kommunen wie die VG Nieder-Olm betreiben das bereits vorbildhaft. Klar ist, ein Bescheid muss rechtssicher sein. Aber eine Erläuterung in Leichter Sprache ist auf jeden Fall möglich.

Das Interview führte Marta Fröhlich